Am Haus der Vorfahren

Ehepaar aus Toronto wieder zu Besuch

Im Rahmen eines Deutschlandaufenthaltes ließen es sich Beatrice und Abraham (Ami) Heilbrunn aus Toronto nicht nehmen, neuerlich einen Abstecher in die Heimatregion der Vorfahren zu machen. Groß- und Urgroßeltern des Besuchers, seinerzeit auf dem jüdischen Friedhof Gotha bestattet, waren vor ihrem Umzug nach Thüringen in Herleshausen wohnhaft. Belegt ist, dass der Urgroßvater Herrn Heilbrunns, Meyer Heilbrunn (1819-1892), sich nach Tod seiner ersten Frau Lina geb. Adler, mit Betty Löbenstein (geboren 13.04.1839), Tochter des Baruch Callmann Löbenstein aus Datterode, am 13.01.1864, verheiratete. Meyer Heilbrunn hatte in zwei Ehen insgesamt sechs Kinder, darunter Abraham Heilbrunn (1858-1930), den Großvater von Ami. Er lebte mit der Familie in Herleshausen und war Fellhändler. Hatten die Besucher Ende 2012 noch vergeblich nach dem Haus der Vorfahren, einem Fachwerkhaus mit angebauter großer Scheune, gesucht, konnten die Protagonisten der „AG Stolperstein“ aus Herleshausen bereits kurz nach dem ersten Besuch das Grundstück „Bahnhofstraße 25“ in Herleshausen als einstigen Familienwohnsitz Heilbrunn identifizieren. Meyer Heilbrunn verkaufte das Haus, zog mit der Familie 1876 nach Gotha in die Gerbergasse 10 und begründete ein Pelzgeschäft.

Sehr bedeutsam für die Familiengeschichte, dass ein Bruder der Großmutter von Ami Heilbrunn, Siegbert Katz, als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) verbotene Zirkel in Berlin-Köpenick abhielt und heimlich illegales Material verteilte. Im November 1933 verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, kam er ins KZ und wurde in Auschwitz ermordet. Siegberts Schwester, Rosa Katz, arbeitete bei Otto Weidt in dessen Berliner Blindenwerkstatt (www.museum-blindenwerkstatt.de). Dieser hatte – ähnlich wie Oskar Schindler – versucht, Juden vor der Deportation zu bewahren. Inge Deutschkron und Lukas Ruegenberg setzten in ihrem Buch „Papa Weidt: Er bot den Nazis die Stirn - Ein Ort der Menschlichkeit im Dritten Reich“ auch Ami Heilbrunns Großtante ein Denkmal. Sie wurde letztlich auch ein Opfer des Holocaust. Im Januar 2014 konnte man die Verfilmung des Buches in der ARD sehen. Bewegend für die Gäste aus Übersee, die den Film „online“ schauten, dass auch ihre Großtante und ihr Schicksal dargestellt wurden (ARD-Mediathek: "Ein blinder Held - Die Liebe des Otto Weidt"). Den meisten Heilbrunns gelang die Flucht aus Deutschland. Amis Eltern wanderten noch 1933 mit ihren beiden Kindern nach Palästina aus, wo auch Abraham (Ami), benannt nach seinem Großvater, zur Welt kam. Für Anverwandte sind bereits Stolpersteine in Gotha und Berlin verlegt worden.

 

Mit Helga und Klaus Gogler, „AG Stolperstein“ aus Herleshausen, sowie dem Vorsitzenden des HVD trafen die Besucher auf „alte Bekannte“, die sie zu den für sie bedeutungsvollen Örtlichkeiten begleiteten und sich mit ihnen über die familiär-geschichtlichen Zusammenhänge austauschten. Zu den Heilbrunn-Familien ist in der Region noch viel zu entdecken. Vielleicht sieht man sich ja wieder.

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