Ein Datteröder Messingleuchter geht auf weite Reise

Nachfahren aus Chile nehmen ein besonderes Geschenk mit nach Hause

Anfang der 1930er Jahre lebte u. a. noch die jüdische Familie Albert Pfifferling (genannt „Tambour“ – auf Mundart: „Dambür“) mit 6 Personen in Datterode. Albert Pfifferling verstarb in 1933. Laut Melderegister der Gemeinde emigrierte die Tochter Ilse am 04.09.1934 in die Schweiz, am 28.12.1935 folgte ihr ihre Schwester Hilde. Mutter Toni (Antonia) und Bruder Erich immigrierten ebenfalls. Als letzter verließ Julius („Dambürsch Jüle“) Pfifferling 1938 das Dorf, nicht ohne vorher das Haus der Familie in der Datteröder „Hintergasse“ (heute „Brunnenstraße“) ordnungsgemäß zu verschließen. Er immigrierte vom französischen Boulogne mit dem Schiff „Highland Chieftain“ über Argentinien (angekommen am 8. Juli 1938 in Buenos Aires) nach Santiago de Chile. Die Geschwister heirateten, bekamen selber Kinder und ließen sich in Argentinien nieder. Inzwischen ist es die dritte Generation einstiger „Gänsekerle“, die im südamerikanischen Land lebt. Im Zuge der Recherchen über die jüdische Dorfgeschichte stieß der Heimatverein Datterode e. V. (HVD) 2008 auf einen „Alberto Pfifferling“ bei einem Golfclub in Santiago de Chile. Da der Vater von Julius mit Vornamen Albert hieß, lag die Vermutung nahe, dass ein möglicher Enkel den Namen des Großvaters, im Spanischen also „Alberto“, erhalten haben könnte. Kurzerhand wurde der Golfclub angeschrieben, und der HVD erhielt eine unmittelbare Antwort des Alberto Pfifferling (Jahrgang 1942), in der dieser bestätigte, dass er der Sohn des Julius Pfifferling sei. Seit dieser Zeit stand und steht der HVD in Kontakt mit der Familie. Julius Pfifferling starb 1990. Alberto ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder. Sein Sohn Gonzalo Pfifferling (44) nutzte nun einen Europaaufenthalt, um mit seinen Söhnen Julio (15), Raul (14) und Leon (11) den Ort der Vorfahren zu besuchen. Ihre Aufwartung an den „Gänsekerle“ durfte natürlich nicht fehlen.

Traditionell vom HVD betreut, suchte man das Haus und Grundstück der Vorfahren auf. Besonders für Gonzalo ein bewegender Moment, wusste er doch noch von seinem Großvater Julius, zu dem er ein inniges Verhältnis hatte, dass dieser einst als letzter den Hof in der damaligen Hintergasse verlassen hatte. Die Familie besitzt heute noch Fotos, die Haus und Hof zeigen. Darunter auch eines, das Großvater Julius auf seiner 200er DKW mit Mutter Antonia (Toni) als Sozia zeigt. Es war das erste Motorrad, dass der Datteröder Schmied und Schlosser Heinich Ritz verkauft hatte, nachdem er den Handel mit Krafträdern aufgenommen hatte.

Frau Heidrun Dilling, die heutige Besitzerin des Anwesens, stimmte einer Begehung spontan und sehr gern zu. So war es bewegend, zu sehen, wie die Nachfahren der einstigen Eigentümer aufmerksam dieses Stück der Familiengeschichte auf sich wirken ließen. Ein besonderes Geschenk des HVD stellte ein Messingleuchter dar. Elfriede Neusüß (geb. Weißhaar aus Datterode; 1922-2010) hat dieses Kleinod einst Frau Astrid Rumpf (Wehretal) überlassen. Der Leuchter wurde Frau Neusüß in den 1930er Jahren von dem befreundeten und benachbarten Pfifferlings in Datterode geschenkt, bevor diese auswanderten. Elfriede Neusüß hatte nach Erinnerung von Frau Rumpf erzählt, dass sie bei den Pfifferlings mit dem Leuchter am Schabbat Licht gemacht habe. Frau Rumpf hatte den Leuchter 2012 dem HVD für seine Sammlung übereignet. Nunmehr ging der Messingleuchter mit den vielen, teils so dramatischen Erinnerungen zurück zu der Familie, wo er hingehört: zur Familie Pfifferling nach Santiago de Chile. Ein sehr emotionaler Moment für Besucher und Gastgeber, der die freundschaftlichen Verbindungen sicherlich vertiefte. Manchmal wirken Zeichen mehr als Worte!

Auf dem Jüdischen Friedhof zu Netra verneigte man sich an den Gräbern der Vorfahren. Was mag den Besuchern da wohl alles durch den Kopf gegangen sein? Man war dankbar, dass die Gräber immer noch vorhanden und die Spuren der Pfifferlings im Ringgau somit nicht ganz verwischt sind. Erläuterungen zur jüdischen Dorfgeschichte sowie ein Abstecher an den „Eckerbaum“ mit Blick auf das ehemalige Pfifferling-Anwesen und ein Besuch des Jüdischen Friedhofs zu Reichensachen, wo ältere Familienzweige ruhen, rundeten den Tag ab.

Durch den HVD kamen die Besucher auch in den Besitz eines Stammbaumes, der die lange Verwurzelung im Ringgaudorf belegt. Eine Dorfchronik und die Jubiläumsschrift der Freiwilligen Feuerwehr Datterode, in denen die Vorfahren teils mit Bild verewigt sind, gingen mit auf die Reise nach Chile Nach so viel Familiengeschichte machte sich der Vater mit seinen drei Söhnen auf den Weg zum Flughafen, um über England und Brasilien nach Chile zurückzufliegen. Im Gepäck viele Eindrücke von und Erinnerungen an die Heimat der Vorfahren. Das wertvollste Mitbringsel aber ist zweifellos Pfifferlings Messingleuchter aus Datterode.

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