Die Hebammen

Von Alters her bis Mitte der 1960er Jahre wurden im Dorf die Kinder grundsätzlich zu Hause geboren. Glücklich die Kommune, die eine Hebamme am Ort hatte. Den zwei letzten, noch bekannten Datteröder Hebammen sind die folgenden Zeilen gewidmet:

Bis 1933 „brachte“ die Hebamme Anna Gela Marie Lange, geb. Beck, Jahrgang 1859, in Datterode die Kinder (1880 wird sie als Hebammenschülerin genannt). Bekannt war sie als „Woase Engel“ und wohnte in der Mühlgasse (heute: Mühlgasse 5; vgl. Datteröder Denkmaltopografie) am „Beechenhob“ (Büchengarten). „Woase“ ist die mundartliche Aussprache von „Base“. Sie wurde von jedermann so genannt, wenn auch nur wenige tatsächliche verwandtschaftliche Beziehungen im Sinne einer „Cousine“ bestanden. „Engel“ ist dabei kein tatsächlicher Name, sondern rührt vom Vornamen „Gela“, der Kurzform von „Angela“, also „Engel“, her. Sie war eine zierliche Frau, die mit ihrer Tasche über die Dorfstraßen ging und den Leuten die kleinen Mädchen und Jungen „brachte“. Auf die Frage der damaligen Kinder, wo denn die Babys herkommen, wurde geantwortet: „Die kommen aus dem Born von der Woase Engel“. Das wurde auch geglaubt, weil sich unter der Haustreppe in der Mühlgasse ein Brunnen befand, der durch eine Tür verschlossen war. Gern hätten die Kinder einmal hineingeschaut, doch die Angst vor dem Hofhund war größer. Wie „gläubig“ die Kinder waren, erkennt man an einer mündlich überlieferten Geschichte vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Die drei Mädchen von „Stickliesens“ am Anger sprachen die Woase Engel an, sie möchte ihnen doch einen Bruder bringen! Darauf soll diese entgegnet haben: „Do muss erschdemo ühre Foad’r bie me vorbie kumme!“ (Da muss erst einmal euer Vater bei mir vorbei kommen).Bis 1933 „brachte“ die Hebamme Anna Gela Marie Lange, geb. Beck, Jahrgang 1859, in Datterode die Kinder (1880 wird sie als Hebammenschülerin genannt). Bekannt war sie als „Woase Engel“ und wohnte in der Mühlgasse (heute: Mühlgasse 5; vgl. Datteröder Denkmaltopografie) am „Beechenhob“ (Büchengarten). „Woase“ ist die mundartliche Aussprache von „Base“. Sie wurde von jedermann so genannt, wenn auch nur wenige tatsächliche verwandtschaftliche Beziehungen im Sinne einer „Cousine“ bestanden. „Engel“ ist dabei kein tatsächlicher Name, sondern rührt vom Vornamen „Gela“, der Kurzform von „Angela“, also „Engel“, her. Sie war eine zierliche Frau, die mit ihrer Tasche über die Dorfstraßen ging und den Leuten die kleinen Mädchen und Jungen „brachte“. Auf die Frage der damaligen Kinder, wo denn die Babys herkommen, wurde geantwortet: „Die kommen aus dem Born von der Woase Engel“. Das wurde auch geglaubt, weil sich unter der Haustreppe in der Mühlgasse ein Brunnen befand, der durch eine Tür verschlossen war. Gern hätten die Kinder einmal hineingeschaut, doch die Angst vor dem Hofhund war größer. Wie „gläubig“ die Kinder waren, erkennt man an einer mündlich überlieferten Geschichte vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Die drei Mädchen von „Stickliesens“ am Anger sprachen die Woase Engel an, sie möchte ihnen doch einen Bruder bringen! Darauf soll diese entgegnet haben: „Do muss erschdemo ühre Foad’r bie me vorbie kumme!“ (Da muss erst einmal euer Vater bei mir vorbei kommen).

Die Kinder zogen es dann vor, am großen Born im Hasselbach nachzuforschen (Reservebehälter der Wasserversorgung), denn auch aus diesem Brunnen wurden angeblich die kleinen Erdenbürger geholt. Der schwere Eisendeckel verhinderte aber den Zugang zum „Kinderbrunnen“!

Die „Woase Engel“ stand immer mit Rat und Tat den Datterödern zur Seite, wenn es darum ging, kranken Kindern und Erwachsenen zu helfen. In jener Zeit waren nur wenige Einwohner krankenversichert, und nur in größter Not wurde der Arzt gerufen. Das Geld war knapp. Die Hebamme wusste gegen jede Krankheit ein Mittel. Sie kannte alle Heilkräuter und ihre Wirkung. Ja, sie wusste sogar, wo sie in der Flur zu finden waren, wann sie geerntet und wie sie zubereitet werden mussten. Sie war wirklich eine „weise Frau“; sie hat ihr großes Wissen mit ins Grab genommen. Ihr Beiname „Engel“ wurde übrigens an ihre beiden Töchter weitergegeben. So wurden „Engels Kathrine“ und „Engels Elise“, die beide leider kinderlos blieben, bis zu ihrem Tod im Dorf genannt.



Frau Marie Beck, geb. Fischer, wurde 1933 Nachfolgerin von Frau Lange. Im Gegensatz zur Vorgängerin war sie groß und kräftig. Das war auch gut, denn sie musste unter den härtesten Wetterbedingungen, besonders in den strengen Kriegswintern, die Wege zu Fuß über den Ringgau ausführen, um die kleinen Erdenbürger zu bringen. Eines Fahrzeuges konnte sie sich nicht bedienen, fuhr noch nicht einmal Fahrrad. Musste sie zur Entbindung in eines der Ringgaudörfer, so wurde sie oft mit dem Motorrad oder Auto abgeholt. Während des Krieges ging dies aber nicht, weil diese Fahrzeuge nur selten zur Verfügung standen. Da war sie froh, wenn sie mit der Kutsche oder dem Pferdeschlitten abgeholt wurde. Um die Wöchnerinnen zu versorgen, musste sie fast täglich übers Land.

Der Postbus fuhr während des Krieges die Strecke Eschwege-Creuzburg und zurück (vgl. Geschichte). Die häufigste Benutzerin war Frau Beck. So fuhr sie bis Röhrda, versorgte dort die Wöchnerinnen, ging von da zu den anderen Dörfern und kehrte dann am Abend nach Datterode zurück und kümmerte sich hier um die jungen Mütter. Zum Glück verteilten sich die Geburten auf dem Ringgau über das ganze Jahr, so dass sie ihren Pflegedienst über den Tag und die Wochen einteilen konnte. Um ihren Kittel nicht immer durch die Gegend zu tragen, deponierte sie einige bis zum Ende der Pflegezeit in den Nachbardörfern. Eine kleine Episode aus ihrem erlebnisreichen Dienst: Während sie in Datterode einen kleinen Erdenbürger am Abend versorgte, klopfte von draußen ein aufgeregter Vater ans Fenster und rief: „Marie, kumm schnell, de Feeserchen gücken schunn!“ Da war Eile geboten!

 

Was diese Hebamme an Strapazen ertragen hat, kann nur der ermessen, der diese Wege und vor allen Dingen die winterlichen Wetterbedingungen jener Jahre kennt. Diese Leistungen verdienen Anerkennung über ihr Grab hinaus!



Vom Beginn des Krieges im September 1939 bis Ende 1945 hatte Frau Beck nach auswärts folgende Kinder „gebracht“: Rittmannshausen 4, Lüderbach 17, Weißenborn 7, Netra 34, Röhrda 42, Domäne Lautenbach 8, Gut Harmuthshausen 2, Wichmannshausen 1 und Grandenborn 1. In diesem Zeitraum führte sie in Datterode 211 Entbindungen durch. Insgesamt hat sie während ihrer Dienstzeit (1. Oktober 1933 bis Dezember 1964) 1279 Entbindungen durchgeführt. Sie führte über ihre Tätigkeit Buch und vermerkte zum Teil auch, als von ihr entbundene Jungs während des 2. Weltkrieges als Soldaten fielen.

nach oben