Die Datteröder Juden

Jüdisches Leben im Dorf
(Auszug aus dem Buch des Ehrenvorsitzenden des Heimatvereins Datterode e. V., Karl Beck, „Aus der Geschichte meines Heimatdorfes – Erinnerungen, Bilder und Gedichte“, 2006, VerlagBooks on Demand GmbH, Norderstedt, ISBN-10: 3-8334-6507-7 – ISBN-13: 978-3-8334-6507-9)

Wann genau die ersten Juden in Dörfern des Ringgaus ansässig wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Geschichte der europäischen Juden reicht bis weit ins Mittelalter zurück. Auf Ihrem langen Weg durch die Geschichte waren sie immer wieder grausamen Verfolgungen ausgesetzt, ganz besonders im 12. und 13. Jahrhundert in Deutschland, aber auch in Frankreich und England.

Man sah in ihnen nicht nur die Nachkommen der Verfolger Christi, sie waren auch willkommene Opfer für Raub und Erpressung jeglicher Art. Juden wurden als angebliche Brunnenvergifter verfolgt. Jakob Zwinger schreibt 1386 in seiner Elsässischen und Straßburger Chronik, „dass bei dem großen Sterben die Juden verleumdet wurden in allen Landen, dass man ihnen nachsagte, sie hätten Gift in Wasser und Brunnen getan und dass sie daher verbrannt wurden“. In vielen Städten am Rhein, auch in Mittel- und Norddeutschland heißt es weiter, qualmten und loderten in den Jahren 1348 bis 1400 riesige Scheiterhaufen. Jeder Ort wollte seine Juden brennen haben. In Freiburg wurden am Tag der Lichtmess 1349 sämtliche Juden verbrannt. Am gleichen  Tag verbrannte man in Straßburg auf dem Friedhof in einem hölzernen Gerüst zweitausend Juden. Beweismittel war immer die Folter, die die verlangten und auch viele andere Geständnisse erwirkte. Dazu heißt es: „Zu keiner Zeit haben Menschen der Raserei mit soviel Heldenmut widerstanden wie die Juden im 14. Jahrhundert.“

Mit nur wenig Ausnahmen lehnten sie es ab, durch Abschwören ihres Glaubens ihr Leben, das Leben ihrer Familie und ihre Habe zu retten. Vielerorts, so auch in Speyer und Eßlingen, versammelte sich die gesamte Judenschaft in ihren Synagogen und zündete sie an. In Frankfurt schlossen sich 6000 Juden in einer Gasse ein, steckten sämtliche Häuser in Brand und erlitten so den Tod. Da im Mittelalter auch alles Handwerk in Zünften zusammengefasst war und ein Nichtchrist kein Mitglied einer Zunft sein konnte, war es für die Juden unmöglich, ein Handwerk zu betreiben. Neue Waren durften sie nicht herstellen, was ihnen blieb, war der Gebrauchtwarenhandel. So entstand das so genannte „Trödeljudentum“. Es war nicht von ihnen selbst gewählt, sondern hart erzwungene Arbeit. Auch lag der Geldverleih, den das kirchliche Zinsverbot den Christen untersagte, in ihren Händen. Durch Weltkenntnis, Sprachbegabung und Intelligenz begünstigt, nahmen sie Zuflucht zur Naturwissenschaft, zur Technik und ganz besonders zur Medizin. Auf allen Gebieten, ganz besonders als Ärzte, erlangten sie große Bedeutung. Kaiser, Könige und Fürsten, selbst Päpste hielten sich jüdische Leibärzte. So stellte zum Beispiel die Stadt Frankfurt im 16. Jahrhundert jüdische Mediziner als Stadtärzte an.

Der erste Hinweis auf Juden in Datterode stammt aus dem Jahre 1595. In einem Schreiben der landgräflichen Räte in Kassel an den Landvogt an der Werra, werden Erkundigungen über einen Juden in Dattenroda eingeholt. In der Ortsbeschreibung, die auch eine Stück- und Steuerliste aus dem Jahr 1745 beinhaltet, heißt es unter anderem: „David Samuell, Schutzjude, hat ein eigen Haus, führt schlechten Handel („schlechter Handel“: Handel, der wenig einbringt) mit altem Vieh und hat nicht viel im Vermögen; Callmann Maier , hat ein eigen Haus, handelt mit Vieh und kurzer Ware, schlachtet auch auf dem Laden plus minus jährlich 10 Stück Rindvieh und soviel Kälber.“

Aufgrund der überlieferten Ortsbeschreibungen kann man davon ausgehen, dass bis 1925 durchweg fünf bis sechs jüdische Familien in Datterode ansässig waren. In der Kirchenstatistik des Kurfürstentums Hessen von Wilhelm Bach, 1835, heißt es unter dem Paragraphen 189: „Datterode, 520 Einwohner evangelisch und 28 Juden.“ Der Pfarrer Christian-Ludwig Aßbrand (1847-1874) schreibt 1867 unter anderem: „Einwohnerzahl 519 Seelen, davon 6 Judenhäuser.“ Von den sechs jüdischen Familien in Datterode während des ersten Weltkrieges besuchten im Jahr 1916 laut Schulchronik fünf Kinder die hiesige Volksschule. In der Ortsbeschreibung von Gottfried Ritter aus dem Jahr 1926 heißt es: „Datterode, Lage und Umfang: Auf dem Ringgau am Fuß der Boyneburg, 9 5/10 Kilometer von Eschwege, Landkreis Kreis Eschwege, Poststelle Hoheneiche, Bahnstation Bebra-Göttingen, Haltepunkt bei Kraftwagenlinie Eschwege-Eisenach. Einwohner: 24 Juden, ein Katholischer, 951 gesamt.“

Um diese Zeit waren bereits die Viehkaufleute Max und Baruch Löbenstein, Söhne von Josef ("d'r schworze Josef"), nach Eschwege in den Goldbach verzogen (Grundstück heute: Hausberg). Ohmi Dreyfuß, Sohn von Emanuel [andere mdl. Quelle: Jacob] (heute: Grundstück Niebergall - Brunnenstraße/Ecke Leipziger Straße), war 1919 in die Schweiz verzogen und beteiligte sich dort an  einem Textilunternehmen. Sein Startkapital, das er von zwei Datteröder Geschäftsleuten erhielt, zahlte er nach der Inflation in Deutschland gut verzinst in Schweizer Franken zurück.

1928 verzog auch der Kauf- und Handelsmann Baruch Loebenstein, Sohn von Herz, nach Eschwege in die obere Bahnhofstrasse. Grundstücke heute: Lothar Beyel, das ehemalige Lagerhaus (zuletzt: Gaststätte Biereck). Eine weitere Immobilie, im Volksmund die „Judenschule“, an der Leipziger Straße (Walter Wieditz).

Bis Mitte der 20er Jahre lebte die Bevölkerung in Datterode  in gut nachbarschaftlicher Beziehung mit den Juden, die sich nicht nur als Kauf- und Handelsleute betätigten, sondern auch aktiv am dörflichen Leben teilnahmen. So zum Beispiel taucht des Öfteren der Name Loebenstein auf. Im 19. Jahrhundert als Feuerwehrhauptmann, im 20. Jahrhundert als Gemeindevertreter und Gemeindevorstandsmitglied. Junge Mädchen aus Hoheneiche, Langenhain, Weißenborn, Renda, Röhrda, selbst aus Meckbach, Kreis Hersfeld, standen bei Loebensteins als Hausgehilfinnen im Dienst. Alle lernten während ihrer Tätigkeit ihren späteren Ehemann kennen und wurden in Datterode heimisch.

Dass um 1900 trotz der "Antisemtischen Partei", die auf Reichseben mehrfach zur Wahl stand, die jüdischen Mitbürger noch ganz in die Dorfgemeinschaft integriert waren, geht aus dem Bericht der Heimatzeitung hervor, die über den Tod des Viehhändlers Josef Loebenstein folgendes schrieb: „Datterode. Heute Mittag wurde der im Alter von 80 Jahren verstorbene Veteran Josef Löbenstein unter großer Beteiligung der hiesigen Bevölkerung, ganz besonders des Krieger- und Militärvereins sowie vieler Freunde zur letzten Ruhestätte geleitet. Der Heimgegangene hat den Feldzug gegen die Dänen in den Jahren 1848 und 1849 mitgemacht und ist wohl auch aus unserem Kreis der letzte Kämpfer aus jener Zeit gewesen.“ 1913 wurde mit großem Aufwand das 25jährige Bestehen des Krieger- und Militärvereins gefeiert. Mit dabei: Drei mal Loebenstein und einmal Pfifferling, auch als Ehrendame Jenny Loebenstein, Tochter von Herz Loebenstein (Volksmund: „d'r lohme Herz“).

Am Ersten Weltkrieg nahmen Teil:
Baruch Löbenstein, Sohn von Herz, Inhaber des Eisernen Kreuzes 2. Klasse
Max und Baruch Löbenstein, Söhne von Josef Loebenstein
Ohmi Dreyfuß, Sohn von Emanuel (andere mdl. Quelle: Jacob)
Albert Pfifferling (Tambour), Vater von Julius, Ilse und Hilde.

Wer wusste überhaupt, dass von den 550.000 jüdischen Mitbürgern während des Ersten Weltkrieges annähernd  100.000 Soldaten waren, von denen nachweislich 12.000 gefallen sind. 23.000 waren hoch dekoriert, 30.000 befördert, davon wiederum 3.181 zu Offizieren. Laut Statistik wurde im Ersten Weltkrieg von den deutschen Juden der höchste Blutzoll erbracht. Diese Tatsache wurde schon während der Weimarer Republik von gewissen Kräften in Frage gestellt und von den neuen Machthabern nach 1933 konsequent totgeschwiegen.

Seit 1973 erinnert an den im Ersten Weltkrieg gefallenen hoch dekorierten jüdischen Jagdflieger Wilhelm Franke die Luftwaffenkaserne in Neuburg, die seinen Namen trägt. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch noch eine Tagesbuchnotiz des Leutnants Josef Zürndorfer: „Ich bin als Deutscher ins Feld gezogen, um mein bedrängtes Vaterland zu schützen, aber auch als Jude, um die volle Gleichberechtigung meiner Glaubensbrüder zu erstreiten.“ Es sollen hier keine kriegerischen Leistungen hervorgehoben werden. Zur Geschichte gehört aber auch, dass gerade jüdische Professoren Bedeutsames auf dem Rüstungssektor geleistet haben. So zum Beispiel die von Fritz Jakob Haber erfundene Ammoniak-Synthese, zu der Karl Posch die Fertigungsanlage entwickelte, wodurch das Deutsche Reich unabhängig von der Salpetereinfuhr aus Chile wurde.

Dr. Leo Löbenstein, der während des Krieges in einem bayerischen Nachrichtenbataillon diente, erfand während des Krieges das Schallmessverfahren, mit dem der Standort eines feuernden Geschützes präzise bestimmt werden konnte. 1919 gründete Löbenstein den Verband jüdischer Frontkämpfer „R.J.F.“ mit über 30.000 Mitgliedern. Während der Weimarer Republik wurden ihm vom Reichspatentamt über 20 Patente erteilt. 1929 war er im Auftrag des Heereswaffenamtes der Reichswehr maßgeblich an der Entwicklung ferngelenkter Raketen beteiligt. Professor Ludwig Willstädter, Inhaber des Nobelpreises und der Friedensklasse des Ordens Pour-le-mérite schuf während des Ersten Weltkrieges einen fronttauglichen Filtereinsatz für die neuartige Gasmaske, die zwei Weltkriege überdauerte. Für seine lebensgefährlichen Selbstversuche überreichte ihm Kaiser Wilhelm das Eiserne Kreuz I. Klasse persönlich. Als überzeugter Patriot bestritt Willstädter mit noch 90 anderen Professoren die Alleinschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg. 1939, bereits im Exil,  lehnte er es beharrlich ab, in die Dienste der Feinde Deutschlands zu treten. Viele deutsche Juden hätten sich vor der Verfolgung und Vernichtung retten können, wenn sie nicht darauf vertraut hätten, durch ihr Eisernes Kreuz und ihren tapferen Einsatz fürs Vaterland geschützt zu sein.

Über das Schicksal der Juden aus Datterode ist folgendes bekannt:
1933 lebten noch die Familien Albert und Hermann Pfifferling mit insgesamt 12 Personen im Dorf. Albert Pfifferling verstarb im März 1933. Laut Melderegister der Gemeinde emigrierte die Tochter Ilse am 04.09.1934 in die Schweiz, am 28.12.1935 folgte ihr auch ihre Schwester Hilde. Ende November 1938 emigrierte Sohn Julius über Argentinien nach Santiago de Chile. Nachdem Mutter Toni den Haushalt aufgelöst hatte, folgte sie ihren Töchtern in die Schweiz.

Am 05.04.1937 verstarb Jeanette Pfifferling, ihr Mann Hermann am 15.01.1938. Beide wurden auf dem jüdischen Friedhof in Netra beigesetzt. Sohn Karl  (dr Jüdenkarle), so geht aus der letzten offiziellen Eintragung im Melderegister der Gemeinde hervor, wanderte, einen Tag nach der Beerdigung seines Vaters Hermann am 18.01.1938 nach New York aus. Vor seiner Auswanderung betätigte sich Karl Pfifferling als Vieh- und Fleischhändler, verstand sich auch auf das Schächten. Darüber hinaus vermittelte er Geschäfte aller Art. In diesem Zusammenhang erzählte einmal der Schmied Heinrich Ritz: Als die Fahrräder immer mehr auf den Markt drängten, übernahm auch Ritz eine Vertretung. Von Speichen einziehen, Schläuche und Mantel wechseln habe er anfangs keine Ahnung gehabt. „Doas hett me d'r Jüdenkarle biegebroocht.“ „Eines Doaches hette in de Hänge gespetzen, Kritzhacken un Scheppen her“ und hat mir in der Werkstatt eine Grube ausgehoben , damit ich dem Christoph Fischer (Steff) sein Milchauto von unten reparieren konnte. Häh woar en gefälliger Kerle, d'r Jüdenkarle.“

Wie allen den in Deutschland bis zum Schluss verbliebenen Juden ging es auch seiner Verwandtschaft (Pfifferling/Maier) nicht gut. Die ihnen zum Schluss zugestandene Lebensmittelration reichte weder zum Leben noch zum Sterben. Dass Hunger wehtut haben Jahre später auch Millionen anderer Menschen erfahren. Trotz der angedrohten Repressalien gab es wie überall auch in Datterode Menschen, insbesondere Frauen, die angesichts der Not ihren jüdischen Mitbürgern Lebensnotwendiges zukommen ließen. Eines Tages begegnete Luise Sippel ihrer ehemaligen Schulfreundin Frieda Pfifferling (verheiratete Maier), die gerade auf dem Weg zum Bürgermeisteramt war. „Guten Tach Frieda, wie gett`s üch denn?“ Geh widder, Mähchen, dü derfst dach nett mett meh schwatze.“ „Ech schwatze, mit wem ech will.“ „Me hann jo su Hunger.” Ohne lange zu überlegen: „Heute Abend, wenn es dunkel ist, schickst du deinen Mann vorbei.“ Noch in der gleichen Nacht wechselte eine schlachtreife Ziege, getarnt mit einer dunklen Decke, ihren Besitzer. Was wäre geschehen, hätte jemand den Julius Maier auf seinem Heimweg 200 Meter über die Landstraße beobachtet? Auch Martha Sippel (s Sippelmarthe) unterstütze trotz gelegentlicher Anfeindungen jahrelang ihre jüdischen Nachbarn. Um sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben, deponierte sie die von ihr und Gleichgesinnten zur Verfügung gestellten Lebensmittel in ihrem Keller. Der Eingang zum Keller lag außerhalb, direkt von der Straße her, sodass es für ihre jüdischen Nachbarn im Schutz der Dunkelheit möglich war, mit ein paar Schritten über die Straße das Bereitgestellte abzuholen. Im November 1942 war es dann soweit. Otto Hempfing mit seinem Pferd „Rosa“ übernahm den Transport zum Bahnhof nach Bebra. Auf dem Wagen mit einigen Habseligkeiten: Käthe Pfifferling, Schwester Frieda (verheiratete Maier) mit Sohn Erich und Onkel Josef, dem Bruder ihres Vaters. Um die gleiche Zeit wurde der Vater Julius Maier von seiner Arbeitsstelle in der Zuckerfabrik Schellerten abgeholt. Das Wohnhaus übernahm der Fiskus und stellte es Evakuierten aus deutschen Großstätten zur Verfügung. 1950 erhielt Karl Pfifferling sein Elternhaus zurück und verkaufte es an Karl Köbrich (Friseur), der nach Abriss desselben auf dem Grundstück einen Neubau errichtete, heute Salon Fissmann. Trotz allem, was geschehen war, besuchte der 1938 ausgewanderte Karl Pfifferling noch einige Male sein Heimatdorf, wobei es für ihn selbstverständlich war, der „Tante Sippel“, wie sie liebevoll genannt wurde, Guten Tag zu sagen. Anlässlich eines Gästeabends im August 1970 überreichte ihm Bürgermeister Friedrich Beck ein großformatiges Bild von Datterode. In dem einen oder anderen Gespräch ließ er durchblicken, von kleinen Schikanen und Sticheleien einer Minderheit abgesehen könne er sich persönlich nicht beschweren. Auch seine ehemaligen Skatbrüder Heinrich Claus, Franz Rödiger und Wilhelm Fischer hatte er noch in guter Erinnerung. Nur einmal habe er sich maßlos geärgert, als kurz nach der Machtübernahme in seinem Beisein ein Sohn zu seinem Vater sagte: „Mett dähm do därfste jetz kenne Geschäfte mehr mache. S es ne annere Ziet ohngebrochen.“ Auch Julius Pfifferling (Tambürsch-Jüle) besuchte nach 30 Jahren 1969 noch einmal sein Heimatdorf. Während seines Aufenthaltes im Berggasthof gab es so einiges zu erzählen. Nicht nur einmal erwähnte er dabei das gutnachbarschaftliche Verhältnis zu Adam Ronshausen, mit dem er bis zu dessen Tod in brieflicher Verbindung stand. Als sein Vater im März 1933 verstarb, überführte Adam Ronshausen ihn mit seinem Gespann auf den jüdischen Friedhof nach Netra. Die letzten Jahre vor seiner Ausreise, so berichtete er weiter, waren keine guten. Immer dann, wenn wieder einmal seine Widersacher (Häscher), hinter ihm her waren, stellte ihm Adam Ronshausen seine Speisekammer und die übergroße Futterkiste als Versteck zur Verfügung. In diesem Zusammenhang erzählte mir einmal Adam Ronshausen: „Nach getaner Arbeit sitze ich im Stall auf meiner Futterkiste und rauche wie üblich mein Zigarillo. Plötzlich ging die Tür auf. „Essen d’r Jühle he?“ „Wenden fingt, konnten metgnähme.“ Se han’n nit g’fungen.
Während seines Aufenthaltes in Datterode stattete er dem einen seiner Widersacher, der inzwischen schwer erkrankt war, einen Besuch ab. Er selbst musste kurze Zeit später wegen einer Gallenkomplikation für einige Tage das Eschweger Krankenhaus aufsuchen. Es war schon ein denkwürdiger Augenblick, als ihn der Hauptakteur von damals im Krankenhaus besuchte und sich für sein Tun entschuldigte. Noch Jahre nach dem Krieg erzählte mir ebenfalls eine Nachbarin selbstkritisch: „Ich kann heute noch nicht verstehen, warum ich seinerzeit Ilse und Hilde Pfifferling, mit denen ich zusammen in die Schule gegangen bin, zum Abschied nicht die Hand reichte.“ Mit solchen und ähnlichen Fragen mussten sich nach dem Krieg vielerorts die Menschen auseinandersetzen, was aber nicht bedeutet, die gesamte Bevölkerung hätte von all dem, was im Krieg und neben dem Krieg her geschehen ist, gewusst, bzw. wissen müssen.
Im Jahre 1996 besuchte ein Mann Datterode und stellte sich als Erich Maier vor, Sohn von Frieda und Julius Maier. Schade, dass sich keiner seiner Gesprächspartner nach seiner Anschrift erkundigte. Es wäre interessant zu wissen, unter welchen Umständen er die Katastrophe überlebt hat.

Gräber Datteröder Juden⇒


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