Weiteres zur jüdischen Geschichte

1. Friedhöfe
Unter http://web.uni-marburg.de/hlgl/lagis/juf_gs.html können Gräber auf jüdischen Friedhöfen in Hessen recherchiert werden. Ist auch der jüdische Friedhof zu Netra noch nicht eingestellt, so erschließen sich hier auf den jüdischen Friedhöfen zuReichensachsen, Hebenshausen, Sontra und Abterode eine weitere Anzahl ehemaliger Datteröder Juden. Neben den Fotos der Grabsteine sind dabei - sofern noch lesbar erhalten - die deutschen Grabsteininschriften sowie die hebräischen Texte (mit Übersetzung) veröffentlicht. Mit dem Suchwort „Datterode“ finden sich unter http://cgi-host.uni-marburg.de/~hlgl/juf/st.cgi?current=0&ex=gs&vs=0&lemma=Datterode&lines=30 folgende Personen (Friedhof, Grabnummer, Vorname, Nachname, Todesjahr):

1

Hebenshausen

Grabnr. 030

Berend (Bär) Heß 1832

2

Reichensachsen

Grabnr. 005

Fromma, Frau des Baruch 1850

3

Reichensachsen

Grabnr. 011

Male Heß 1854

4

Reichensachsen

Grabnr. 010

Gietel Löwenstein (Löbenstein) 1859

5

Reichensachsen

Grabnr. 106

Beschen Heilbrunn 1860

6

Reichensachsen

Grabnr. 105

Peschen Löbenstein 1860

7

Reichensachsen

Grabnr. 104

Juda Löbenstein 1861

8

Reichensachsen

Grabnr. 012

Jettchen Pfifferling 1866

9

Reichensachsen

Grabnr. 083

Baruch Löwenstein 1870

10

Reichensachsen

Grabnr. 063

Joseph Pfifferling, wohl um 1870

11

Sontra (Alter Friedhof)

Grabnr. 131

Herz Löbenstein 1879

12

Reichensachsen

Grabnr. 130

Israel Löbenstein (Löwenstein) 1883

13

Reichensachsen

Grabnr. 071

Kallmann Pfifferling 1883

14

Hebenshausen

Grabnr. 018

Lehmann Kugelmann 1884

15

Sontra (Alter Friedhof)

Grabnr. 466

Ester Löbenstein 1887

16

Abterode

Grabnr. 070

Betti Oppenheim 1889

17

Hebenshausen

Grabnr. 153

Gittel Kugelmann 1894

18

Reichensachsen

Grabnr. 154

Joseph Löbenstein I. 1905

19

Reichensachsen

Grabnr. 465

Gütel Löbenstein 1914

20

Abterode

Grabnr. 465

Joseph Moses Oppenheim 1925
und zum Andenken an seinen Sohn Moses 1917

21

Reichensachsen

Grabnr. 079

Bernhard Pfifferling 1937

22

Abterode

Grabnr. 464

Bertha Oppenheim 1937

Grabsteine des Reichensächser Friedhofs siehe im Fotoarchiv: Jüdische Gräber.

2. Pfifferling und Löbenstein
Bei http://www.alemannia-judaica.de/netra_synagoge.htm sind interessante Daten zu jüdischen Mitbürgern Datterodes (und des Gemeindebereiches Ringgau) nachzulesen. Freundlicherweise hat der Betreiber auch unsere Seiten zur jüdischen Geschichte verlinkt und zudem vom Heimatverein zur Verfügung gestellte Informationen und Fotos übernommen.
Dankenswerterweise dürfen wir hier von der Seite Beiträge übernehmen:


Zum Tod von Frau Henriette (Frau von Baruch) Pfifferling (*04.06.1848), geborene Burchardt, in Datterode (01.04.1915) folgender Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1915:

„Datterode, 11. April (1915). An einem Halbfeiertag des Pessachfestes (1. April 1915) starb
plötzlich und unerwartet nach kurzer Krankheit die
älteste Frau unserer Gemeinde, Frau Baruch P f i f f e r -
l i n g. Die Verstorbene war eine wackere Frau im schönsten
Sinne des Wortes und wirkte in ihrem Familienkreise
bescheiden und fromm im Geiste unserer Tora. Das
Leichenbegängnis, an dem nicht nur alle Mitglieder
des Ortes und der nächsten Nachbargemeinden, sondern
auch viele nichtjüdische Mitbürger teilnahmen, gab ein
beredtes Zeugnis, welcher Beliebtheit sich die Ver-
blichene bei ihren Mitmenschen zu erfreuen hatte. An
der Bahre sprach im Auftrage der Familie ein Sohn
der Verstorbenen, Lehrer Pfifferling aus Aurich, zur
Zeit verwundet in Hildesheim, ergreifende Abschieds-
worte. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.“



Anzeige des Viehhändlers Baruch Pfifferling in Datterode (1891) in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1891:



Anzeige der Viehhandlung Josef Löbenstein II in Datterode (1901) in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1901:



Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1903:

 



Betreiber des Geschäfts waren die Brüder Markus (?) und Herz Löbenstein (II); dessen Frau hieß mit Vornamen Fanny. Ihr Wohnhaus zuvor war Haus Nr. 82 (siehe dazu "Zur jüdischen Geschichte in Datterode"). Die späteren Bewohner – bis in die heutige Zeit – wurden übrigens mit Beinamen deshalb „Fanny“ bzw. „Fannys“ genannt!

Die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner waren im Dorfleben seinerzeit mit allen Rechten und Pflichten integriert. Selbstverständlich leisteten sie Militärdienst. Viehhändler Joseph Löbenstein wurde  im Jahre 1918 vom Krieger- und Militärverein Datterode zu Grabe getragen. Seine Söhne Max und Baruch dienten im 1. Weltkrieg ebenso, wie OhmiDreyfuss (Sohn des Emmanuel), Albert Pfifferling und Baruch Löbenstein, Sohn von Herz, der mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde. Bei der 25-Jahr-Feier des Krieger- und Militärvereins im Jahr 1913 präsentieren sich einige von Ihnen auf dem Gruppenfoto:

 



Auf dem Foto der Ehrendamen des Jubiläums des Krieger- und Militärvereins befindet sich auch Jenny Löbenstein:



Ebenfalls im Jahr 1913 stellt sich die Freiwillige Feuerwehr Datterode dem Fotografen:



Umso erschreckender und ernüchternder ist eine Veröffentlichung in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 1. Januar 1891, in der latenter Antisemitismus auch in Datterode zum Ausdruck kommt:

Abschrift (Fehler übernommen):

"In dem im Kreise Eschwege gelegenen Dorf Datterode, in welchem die wenigen jüdischen Familien in bestem Einvernehmen mit den übrigen Dorfbewohnern lebten, fand man neulich die berüchtigten Fritsch'schen und Werner'schen Flugblätter angeklebt. Eine Frau P. entfernte ein solches Plakat von einer Telegraphenstange. Am andern Morgen war an derselben Stelle ein mit folgenden Worten beschriebener Zettel zu bemerken: 'Warnung! wen hold die olle P. unsre Blätterle nochmals runner reist, so soll den hold die olle O. dran mit an baar Dutzeln von Ihr leit baumeln!!! Also Ihr Christen seit auf der Hut, helft sie unterdrücken bald werden wir des Geschmeise los sehr Ihr vielleicht dass einer von den leid will arbeiten alle wollen von uns Christen ernährt werden dieses Wüstenvolk. Dem Bauersmann ging es viel besser wen wir hold dies Wüstenvolk nicht hier hätten. Der bauersmann säet aus und das Wüstenvolk erndet ein, so geht es auch mit dem Vieh unser armes Christen Volk füttert das Vieh groß und das Wüstenvolk treibt es zum margde also dies kann nicht mehr so fort gehen in zwanzig Jahren wehren die Christen den Juden Ihre Sklafen.' Sind doch nette Leute diese Antisemiten!-"

Eine Begründung für diesen Antisemitismus auf dem Dorfe kann darin liegen, dass der bekennende Antisemit Otto Böckel (http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_B%C3%B6ckel) als Agitator erfolgreich über die nordhessischen Dörfer zog. So wurde er bei der Reichstagswahl 1887 für den Regierungsbezirk Kassel zum Abgeordneten in den Reichstag gewählt (http://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagswahl_1887). Bei der Reichstagswahl 1890 bekam die antisemitische Partei des Regierungsbezirks Kassel sogar drei Sitze (http://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagswahl_1890#Kleinstaaten).

3. Von Julius Pfifferling zu Gary Samenfeld
Unter http://garysam.typepad.com/photos/more_pictures_from_german/scan0002_2.html fanden wir ein Foto, das im Jahre 1969 in Datterode vom Weinberg aus aufgenommen wurde:

Es zeigt Hilde Frank, geb. Pfifferling und deren Schwester, beides Tanten des Gary Samenfeld, (Greenville, South Carolina, USA) mit Christine Ronshausen (+), Ehefrau des Adam Ronshausen (+) aus Datterode, als sie auf den Spuren ihrer Vorfahren 1969 unser Dorf besuchten. Die Familien Pfifferling und Ronshausen waren Nachbarn und pflegten einen guten Umgang, der nach der Nazi-Tyrannei wieder auflebte - siehe "Jüdisches Leben im Dorf". Sein Vater, Karl Pfifferling, geb. 6. September 1888 in Halle/Saale, war Viehhändler und Sohn eines Julius Pfifferling, der wiederum als eines von 13 Kindern aus dem „Haus Pfifferling“ in Datterode (Besitzer heute Familie Dilling, Brunnenstraße 24, vgl. "Zur jüdischen Geschichte in Datterode") stammte. Dem Nachfahr ist noch überliefert worden, dass das Gebäude „das 13-Kinder-Haus“ genannt wurde. Julius scheint zunächst nach Wanfried verzogen zu sein. Sohn Josef (s. u.) kam dort zur Welt. Von dort zog die Familie nach Halle an der Saale, wo wiederum Karl Pfifferling geboren wurde. Zur Geschichte seines Großvaters gibt die o. a. Homepage Herrn Samenfelds sehr interessante Details preis. Beeindruckend die Geschichte, wie Karl Pfifferling der Ermordung in Buchenwald entkam.


Zu Hilde Frank, geb. Pfifferling, finden wir in der US- Zeitung jüdischer Immigranten „Aufbau“ vom 18. August 1944 folgendes Inserat:



In einem Posiealbum der Nachbarin Erna Roth haben sich Ilse und Hilde Pfifferling als Freundin bzw. Schulfreundin 1925 verewigt:



4. Die Geschwister Löbenstein – Kinder von Joseph
Joseph Löbenstein
(*17.11.1856 – 20.03.1918 in Datterode) heiratete am 08.05.1890 in Datterode die Emma Esther, geborene Wolf (*10.04.1865 in Nesselröden – +10.06.1906 in Datterode). Sie haben sechs Kinder:

Baruch
Löbenstein
(*05.07.1891 in Datterode – +01.06.1964 in New York), Viehhändler, heiratet am 14.01.1920 in Eschwege die Rahel, geborene Bacharach (*27.02.1899 in Eschwege – 01.05.1970 in New York). Am 03.07.1922 zieht die Familie nach Eschwege in die Goldbachstraße 3. Das Ehepaar hat drei Kinder:
Ester
(*07.03.1921 in Eschwege) lebt vom 28.04.1935 bis 06.01.1938 in Köln
Ruth (*09.03.1922 in Eschwege) lebt vom 11.10.1937 bis 02.01.1938 in Siegburg
Hanna (*14.06.1923 in Eschwege) lebt vom 05.04.1937 bis 03.01.1938 in Hanburg und Euskirchen
Die gesamte Familie meldet sich am 06.02.1938 nach New York, 536 W. 113 St., ab. Dort lebt sie unter dem Namen „Lobenstein“.

Max
Löbenstein
(*18.06.1892 in Datterode – +30.09.1972 in Cumberland, New Jersey), Viehhändler, zieht mit seiner Ehefrau (geheiratet am 01.06.1920 in Ermershausen) Julie, geborene Fichtelberger (*22.02.1893 in Ermershausen) am 07.09.1923 von Datterode zu seinem Bruder nach Eschwege in die Goldbachstraße 3.



Max wandert am 29.03.1939 nach Havanna auf Kuba aus. Die älteste Tochter, Emmi (*04.08.1921 in Datterode) zieht mit ihren Eltern nach Eschwege. Vom 02.10. bis 17.12.1937 befindet sie sich in Frankfurt am Main. Bereits am 20.02.1938 wandert sie aus nach New York, 583 West End Ave. Tochter Frieda (*02.10.1923 in Eschwege) ist vom 02.05.1938 bis 06.06.1939 als Hauslehrling bei Lehrer Neumann in der Schulstraße 3, Eschwege, wohnhaft; danach wieder kurz in der Goldbachstraße 3, bevor sie sich am 13.07.1939 nach Frankfurt am Main, Uhlandstraße 57, später Wöhlerstraße 6, ummeldet. Ehefrau Julie meldet sich am 17.03.1941 nach New York ab. Sie nimmt ihren Sohn Michael (*17.08.1931 in Eschwege) und Tochter Frieda mit. Ihr Sohn Josef (*31.07.1925 in Eschwege) folgt am 10.04.1941. Frieda verheiratet sich und trägt den Familiennamen Glück, daraus wurde „Gluck“. Die Familie findet in den USA wieder zusammen, nachdem Max von Kuba gekommen war.

Im Jahre 2010 besuchte der Stiefsohn von Frieda, der Rabbiner Edgar Gluck, unser Dorf und wurde vom Heimatverein betreut (vgl. Veranstaltungsarchiv 2010). Rabbi Gluck konnte berichten, dass der  Vater seiner Stiefmutter seinerzeit sogar sein Motorrad, mit dem er auch immer wieder in seinem alten Heimatdorf Datterode seinen Geschäften nachgegangen war, mit nach Kuba genommen hatte, es jedoch wegen des hohen Einfuhrzolls im Hafen von Havanna zurücklassen musste. Verständlicherweise war das nichts im Vergleich dazu, wie ihnen in Deutschland zuvor mitgespielt worden war. Alle waren nur noch glücklich, dass die Familie es geschafft hatte, dem Nazi-Terror noch rechtzeitig zu entkommen und dass die Familie wieder zusammen fand.MitJosef Loebensteinhat der Heimatverein ebenfalls Kontakt aufbauen können. Er lebt in Vineland, New Jersey und arbeitete 1939-1940 bei der Dachdeckerfirma Karl Wolf in Eschwege, Neustadt 100, die von der Witwe Anna Wolf betrieben wurde. 1940-1941 musste er Zwangsarbeit bei der „Ost GmbH“ in Eschwege (siehe http://zinelibrary.info/files/NS-Zwangsarbeit.pdf) auf dem ehemaligen „Weinstein Gut“, Cäcilienhof (Flugplatz), an der Niederhoner Straße, leisten. Dort produzierte man Elektroöfen für Luftschutzbunker. Mit  Michael Loebenstein, der in Monsey, New York, lebt, besuchte zuletzt 2007 die ehemalige Heimat in Begleitung von Tochter und Schwiegersohn. Natürlich statteten sie auch den Gräbern der Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof zu Netra und dem Haus des Vaters und Großvaters in Datterode (Alte Str. 3) einen Besuch ab. In Eschwege wurden sie zudem im Stadtarchiv mit Informationen über die Familiengeschichte bedacht. Auch zu ihm hat der Heimatverein Kontakt aufbauen können und u. a. diese beiden Fotos bekommen:



Die Schwester von Max und Baruch, Sally (*22.07.1893), verstirbt bereits am 18.12.1893 in Datterode. Auch Bruder Adolph (*28.10.1894) verstirbt im Kindesalter am 11.10.1901 in Datterode. Schwester Jettchen (*01.06.1896 in Datterode) verheiratet sich nach Abterode, gelangt später nach Israel, wo sie auch verstarb (Weiteres nicht bekannt).

Bruder Julius (*26.10.1899 in Datterode) wohnte nach jetzigen Erkenntnissen bis 1939 mit seiner Familie in Hannover. Sein Sohn Joe (Josef) Lobenstein (Schreibweise der Familie heute), geboren am 27.04.1927 in Hannover, berichtet unter http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/germany/3416004/Kristallnacht-Still-an-unforgettable-nightmare-70-years-on.html, wie es der Familie in Hannover Ende der 1930er Jahre erging. Nach der sog. „Reichskristallnacht“ wurde sein Vater in ein KZ gebracht. Mit viel Mühe gelang es der Mutter, ihn wieder heraus zu bekommen. Es war für die Familie dann wie ein Wunder, als sie ein Ausreisevisum für England bekamen und dort am 9. Mai 1939 ankamen. Joe Lobenstein war viele Jahre Bürgermeister von Hackney, Greater London und hat bereits zweimal Datterode und die Grabstätten der Vorfahren aufgesucht. 1998 war es der damalige Oberkreisdirektor des Landkreises Göttingen, Herr Dr. Alexander Engelhardt (+2006), der ihn und seine Gattin zu den Stätten der Ahnen begleitete. Auf dem Hof des Hauses der Vorfahren stellte er sich mit Begleitern der Kamera:



Im Jahr 2010 besuchte Joe Lobenstein in Begleitung seiner vier Söhne und eines Enkels erneut unser Dorf. Betreut vom Heimatverein suchte man das ehemalige Wohnhaus und den jüdischen Friedhof zu Netra auf (vgl. Veranstaltungsarchiv 2010).



5. Dr. Siegmund Löbenstein – Sohn von Herz
Siegmund Löbenstein erblickt am 14.03.1883 in Datterode als zweites von vier bekannten Kindern des Herz Löbenstein (*04.11.1857 in Datterode - +25.06.1914 in Datterode) und der Bertha, geborene Goldschmidt (*22.03.1857 in Erdmannrode, Altkreis Hünfeld - +24.10.1941 in Eschwege), das Licht der Welt. Er heiratet die Louise Karoline Strobel (*12.12.1899). Aus der Ehe gehen die Töchter Margot (*23.08.1922) und Helga (*18.08.1927) hervor. Siegmund Löbenstein studierte Jura und promovierte, denn bei der Geschichte des Herner Anwaltsvereins (http://www.herner-anwaltverein.de/herner_anwaltverein.php) finden wir, dass er 1911 seine Anwaltszulassung erhielt und zu den ersten Rechtsanwälten in Herne gehörte. Er war kommunalpolitisch aktiv und gehörte 1928-1929 der Stadtvertretung von Herne als SPD-Abgeordneter an. Mitte 1933 gab er nach der Quellenangabe seine Zulassung zurück. Zu vermuten ist vielmehr, dass er die Zulassung im Nazi-Reich verlor (http://wiki-de.genealogy.net/Mitglieder_der_Stadtverordnetenversammlung_der_Stadt_Herne). Nach Recherchen von Herrn York-Egbert König[1], Stadtarchiv Eschwege, war Siegmund Löbenstein für einige Jahre in Bonn ansässig, bevor er in die USA emigrierte. Nach dem Kriege kehrte er an den Rhein zurück und erhielt Anstellung beim „Jewish Trust“, der erbloses Vermögen jüdischer Gemeinden treuhänderisch verwaltete. Dr. Siegmund Löbenstein starb am 11. Mai 1959 in Bonn. Wir finden Spuren zu seiner Tochter Helga, die in Recklinghausen die Höhere Mädchenschule (Städtisches Lyzeums ab 1916, Oberlyzeum ab 1918, Oberschule für Mädchen ab 1937),das heutige Marie-Curie-Gymnasium, besuchte (http://www.re.shuttle.de/re/mcg/schule/geschi.htm)[1].

Ein Besucher aus Bonn im Jahre 2015 konnte noch viel Licht in das Dunkel bringen. Lesen Sie dazu
hier>

Zum Schicksal von Siegmunds Bruder Baruch (*14.09.1881 in Datterode), der Mutter Bertha und der Schwester Rosa (*15.10.1885 in Datterode), verheiratet mit Jsfried Freund, (*31.07.1879 in Fulda; Kinder: Reche, *31.Juli1909 und Bella, *29.12.1910), vgl. „Gegen das Vergessen“. Über den Bruder Julius (*29.07.1884 in Datterode) ist Weiteres nicht bekannt. Er soll in die USA ausgewandert sein.

6. Leonard Loebenstein
Die vielen Recherchen führten auch zum anhaltenden Kontakt des HVD mit Leonard Loebenstein in Kapstadt, Südafrika. Er ist Enkel des Joseph Löbenstein (*06.02.1859 in Datterode - +12.01.1932 in Wanfried). Joseph, verheiratet mit Hedwig Hannchen Rothschild aus Harmuthsachsen, war Sohn des Herz Löbenstein I (verheiratet mit Jette Schwarz), Enkel des Israel Meyer Löbenstein und Urenkel des Meier Baruch Löbenstein (*um 1720). Entstammt  also der Ursippe der Löbensteins in Datterode. Joseph zog nach Wanfried. Dort wurde am 06.07.1904 der Vater von Leonhard, Harry (Herz) Löbenstein geboren. Harry wanderte 1925 nach Südafrika aus. Zwei Brüder und Schwestern folgten ihm.

7. Julius Pfifferling - Sohn von Albert
Albert Pfifferling war verheiratet mit Antonia (Toni), geb. Rothschild. Es ist zwar bekannt, dass die Tochter Ilse am 04.09.1934 in die Schweiz auswanderte und Schwester Hilde (siehe Ziffer 6) ihr am 28.12.1935 dorthin folgte. Glaubt man einem Stammbaum im Internet, so gab es auch einen Sohn Erich, der eine Ruth, geborene Stern, heiratete. Sohn Julius Pfifferling wanderte noch im November 1938 über Argentinien nach Santiago de Chile aus. Auf der Suche nach Spuren fanden wir 2008 im Internet die Eintragung eines Alberto Pfifferling bei einem Golfclub in Santiago de Chile. Da der Vater von Julius Albert hieß, lag die Vermutung nahe, dass ein möglicher Enkel den Namen des Großvaters, im Spanischen also „Alberto“, erhalten haben könnte. Kurzerhand wurde der Golfclub angeschrieben und siehe da, bereits zwei Tage später erhielten wir eine E-Mail des Alberto Pfifferling, in der dieser bestätigte, dass er der Sohn des Julius Pfifferling sei. Julius war verheiratet mit Irma. Alberto Pfifferling wurde 1942 in Chile geboren. Vater Julius starb 1990. Alberto ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder.

8. Die Synagoge in Netra und die "Judenschule" in Datterode
Die Datteröder Juden gehörten zur Synagogen-Gemeinde in Netra. Die Synagoge bzw. der Betsaal wurde vermutlich Anfang des 19. Jahrhundert erbaut. Es handelte sich um einen Fachwerkbau mit einem Hofgebäude in der Brauhausstraße 19. Näheres über das Aussehen des Gebäudes ist nicht bekannt. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde (im Zeitraum zwischen 1933 und 1938) wurde das Synagogengebäude als Stall und Scheune benutzt. 1971 ließ der Besitzer das Gebäude auf Grund des baufälligen Zustandes abreißen. Bis zuletzt war im Inneren die Frauensynagoge noch sichtbar sowie der Platz, an dem sich der Toraschrein befand. An Stelle der ehemaligen Synagoge wurde eine Garage erstellt[2].

Einen besonderen Hinweis auf die Synagoge befindet sich im Jüdischen Museum Berlin (http://www.jmberlin.de/). Dort wird seit vielen Jahren ein Kultgegenstand aufbewahrt. Es handelt sich um eine Besamimbüchse. Dieser jüdische Kultgegenstand ist ein Gewürzbehälter, an dem am Ende des Sabbats beim Hawdala-Ritual gerochen wird, um etwas vom besonderen Geschmack des Festtages mit in den Alltag zu nehmen. Die Art der verwendeten Gewürze ist nicht festgelegt. Beliebt sind Myrtenblätter in Anspielung auf Jesaja 55,13: „Statt Dornen wachsen Zypressen, statt Brennnesseln Myrten“ (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Besamimb%C3%BCchse). Der Heimatverein Datterode e. V. konnte der Kuratorin in Berlin, Frau Michal Friedlander, weiterhelfen und den Stifter zuordnen. Moritz Loewenstein aus Netra, der 1917 als Soldat im 1. Weltkrieg gefallen war, hatte die Büchse 1912 der Synagoge gestiftet. Seine Nachfahren besuchten im Übrigen 2010 sein Grab und das einstige Wohnhaus, auf dessen Hof die Synagoge gestanden hatte. Der HVD betreute die Besucher und erfuhr viel über die Familiengeschichte (vgl. Veranstaltungsarchiv 2010).


Auch in Datterode war ein Betraum (Leipziger Str. 45) vorhanden. In einem Kaufvertrag von 1925 wird ein Gebäude als "Judenschule" bezeichnet (vgl. "Zur jüdischen Geschichte in Datterode"), womit ein Haus mit einem Raum für Gebet und Gottesdienst, eventuell auch für den Unterricht der Kinder gemeint war. Da die Zahl der jüdischen Männer immer wieder nicht für die Erreichung des Minjan ausreichte, wurden - nach der Erinnerung von Dorfbewohnern - manchmal auch bestimmte nichtjüdische Männer zum Gottesdienst eingeladen.

 

[1] York-Egbert König und Dr. Karl Kollmann – „Anwälte ohne Recht – Zum Schicksal jüdischer Juristen in und aus dem Werratal“ in „Das Werraland“ 2011
[2]
Quelle: http://www.alemannia-judaica.de/netra_synagoge.htm

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