Die Botenfrauen

In der Zeit, als es weder Telefon noch elektrisches Licht gab, waren auch noch die so genannten Botenfrauen unterwegs. In Datterode waren dies Elise Hose („Ecken-Illi“) und Anneliese Schäfer („Schäfers Annlie“ – Jahrgang 1855). Bei ihren Botengängen über Feld, so nannte man das damals, brachten sie aus den Nachbargemeinden hin und wieder auch Neuigkeiten mit. Kein Weg war ihnen zu weit. Oftmals waren sie in der Dunkelheit auch mit der Laterne („metter Lichten“) unterwegs. Für die Bauern mit frischen Eiern, Butter und Schmand in der Kötze zu Fuß über den Berg nach Eschwege zu deren festen Kunden, gehörte ebenfalls zu ihren Tätigkeiten. Da es im Dorf zu er Zeit noch keine Backhefe zu kaufen gab, brachte sich Elise Hose von ihrem Gang nach Eschwege immer einen Block Hefe mit nach Hause. Die Hefe verkaufte sie dann drei-, fünf- und zehnpfennigsweise an die Interessenten. Dadurch ist sie als die Hefefrau („Hehmfrei“) in die Dorfgeschichte eingegangen. Diese Tätigkeit betrieb sie noch Anfang der 1930er Jahre.

Für andere unterwegs war auch ihre Enkelin, die Anna Hose („Ecken-Anne“ – die „Ecke“ ist eine Sackgasse auf der dem Anger gegenüberliegenden Seite der Netra), Jahrgang 1932. Die lief nicht über den Berg nach Eschwege, sie brachte über ein Vierteljahrhundert bis Mitte der 1990er Jahre im Auftrage der Apotheke in Netra den Kranken die Arznei ins Haus. Um Verwechslungen zu verhindern, standen neben den Namen auch die Geburtsdaten der Empfänger auf den Tüten aus der Apotheke. Letztlich führte das dazu, dass Ecken-Anne über die Jahre alle Geburtstage der Datteröder Einwohner auswendig kannte. Besonders älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß waren, freuten sich immer, wenn die Anna das Notwendige vorbeibrachte. Gute Laune und die heimische Mundart waren ihr Markenzeichen. Sie bekam von den Leuten Trinkgeld, aber auch den ein oder Schnaps eingeschenkt. Im Winter zog sie sich Socken über die Schuhe, damit sie bei Eis und Schnee nicht ausglitt. Sie war ein echtes Datteröder Original!

Karl Beck, der die vorstehenden Informationen zusammentrug, hat „Ecken-Anne“ und ihrer Großmutter, „Ecken-Illi“, das folgende Mundart-Gedicht gewidmet:

Ver annere ungerwechs

Wer leift noch su speet derchs Derf
bie Schnei, Rähn un Wind?
S’Ecken-Anne, von d’r Lisse’s Kind.

Sinne Grußmodder, de Ecken-Illi,
die wor Hehm- un Botenfrei,
in d’r Keetzen Eier, Bodder un Schmaand
ewwern Berch noach Öschewei.

Den Heimwäch esse äu net imsonst geläufen,
do hett se Hehm metgebrocht,
die gobs nämlich im Derf nach nett z’käufen.

Ehre Enkelchen, s’Anne,
leift nett ewwern Berch noach Öschewei,
dos bringt schunn än Verteljoahrhünnerd
den Kranken ehre Orzenei.

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