Zum Schicksal der neun Jahre älteren Schwester Margots, Bella Löbenstein (*23.09.1914 in Datterode):
Bella wurde am 19. April 1920 in Datterode eingeschult und nach Ende des vierten Schuljahres 1924 an das Lyzeum in Fulda überwiesen. Sie machte dort Abitur und ging von Oktober 1933 bis April 1935 in Straßburg auf die Näh- und Zuschneiderschule. Bella kehrte am 1. April 1935 aus Frankreich zurück und hatte den per Erlass vom 09.03.1935 festgelegten Stichtag zur Rückkehr von jüdischen Deutschen aus dem Ausland (28.01.1935) nicht eingehalten. Sie wurde deshalb auf Veranlassung der Gestapo am 06.07.1935 in „Schutzhaft“ genommen und am 10.07.1935 in das sog. „Schulungslager“ Moringen(Kreis Northeim) überführt. Dort kann sie ihre Mutter einmal besuchen. Der Besuch einer Tante wird vom „Leiter des Schulungszentrums“ abgelehnt.
Bella wurde auf Anordnung der Gestapo am 08.09.1935 aus dem Lager zur Familie nach Eschwege, Friedrich-Wilhelm-Str. 14, entlassen. Sie muss - so lässt sich aus Akten ableiten - einen Verpflichtungsschein unterschrieben haben, der offensichtlich eine Ausreise als Ziel hatte.
Bella geht nach Amsterdam und wird Haushälterin bei der Familie Wilhelm und Julia Magnus mit den Kindern Carla und Gerd in der Krammerstraße 20/II.
Nach der Besetzung Hollands ist Bella bei den ersten jüdischen Menschen, die in Holland festgenommen und im zweiten Transport über das „Durchgangslager Westerbork“ nach Auschwitz-Birkenau in das Vernichtungslager deportiert und dort bei Ankunft mit den Deportierten des ersten Transports aus Westerbork ermordet werden. Der letzte Brief von Bella aus Westerbork blieb erhalten:
A‘[mster]dam, 16. Juli 1942
Meine lieben Eltern, mein liebes Margotlein!
Dass ich vor kurzem den ersten Bericht über Euer Wohlergehen bekommen habe, ist mir eine große Beruhigung. Denn ich stehe im Begriff, mein Domizil zu verändern, und es wird wohl einige Zeit dauern, bis wir wieder einander erreichbar sind. Ich bin nämlich zum Arbeitsdienst nach Deutschland aufgerufen und werde in einer knappen Stunde aufbrechen. Ich bin guten Mutes und mein Hauptwunsch ist, dass wir uns bald einmal wiedersehen. Da es jedoch möglich ist, dass Ihr früher als ich im Stande sein werdet die Verbindung untereinander wieder herzustellen so schreibe ich Euch diesen Brief, der also ein Abschiedsbrief für unbestimmte Zeit ist. Möge Gott Euch mir inzwischen gesund erhalten!
In Liebe Eure Bella