Der Kirchrain und seine Denkmale

Der Kirchrain

Keimzelle des Dorfes Datterode ist ohne Zweifel der Platz um die Kirche und damit auch der Kirchrain. Neuere Funde aus dem Abraum der Pfarrhausstützmauer belegen eine durchaus länger zurückliegende Besiedlung. Der älteste Fund ist der Teil eines Faustkeils, der auf 3000Jahre vor Christus datiert wird. Die vergleichsweise strategisch gute Lage der Erhebung, die Nische des nördlich verlaufenden Hasselbachtales und der nahe Bachlauf dürften zur Besiedlung geführt haben. Im Zuge der Christianisierung wird auf der Anhöhe ein erster Kirchenbau auf einer u. U. heidnischen Kultstätte errichtet worden sein, wie man es bei anderen Orten nachweisen konnte. Scherbenfunde aus dem genannten Abraum reichen zurück bis in das 12. Jahrhundert, was mit der urkundlichen Ersterwähnung Datterodes 1141 korreliert. 1188 wird eine Kapelle erwähnt. Neun Häuser waren so um diese Kirche angelegt, dass ein wehrbarer Innenhof entstand.
Die ersten überlieferten Hinweise für diesen Platz finden wir um 1570 bei der Nennung eines Hauses under dem anger“, sowie 1636 als platz vor der schuelen, der kleine anger genant“. 1629 werden Bauten beim grossen anger“ erwähnt. Das heißt, dass der „kleine Anger“, also dieser Platz, durch Ausbreitung der dörflichen Bebauung seine Funktion verlor und ein neuer, größerer Anger im Unterdorf angelegt wurde. Auf dem kleinen Parkplatz oberhalb unseres Kirchrainplatzes stand übrigens bis in die 1970er Jahre die 1868 erbaute „alte Schule“, Nachfolgebau des 1636 erwähnten Schulgebäudes.
Ende der 1970er Jahre wurde der Platz bereits einmal neu angelegt. Die Einrichtung verkam aber zusehends, wurde nicht gepflegt und war letztlich nur noch ein Schandfleck. Im April 2010 begann der Heimatverein Datterode e. V. damit, den Platz neu herzurichten. Die mittelalterliche Stützmauer des Platzes wurde gesäubert, ausgebessert und neu verfugt. Mit der Installation eines Staketenzauns und einer Ruhebank sowie der Neuanlage des Pflanzrains in 2011 erstrahlt der Platz nach vielen Stunden ehrenamtlicher, mühe- und liebevoller Arbeit nunmehr wieder in neuem Glanz. Nur folgerichtig, dass auch die beiden letzten erhaltenen historischen Grabsteine Datterodes bei der Keimzelle unseres Dorfes, am Kirchrain, ihre neue Heimat fanden. Abgerundet wird das Ensemble durch das neue Luther-Denkmal.

Hier einige Fotos der einzelnen Bauabschnitte:

Die mittelalterliche Mauer wird freigelegt - Start am 17. April 2010:





Die Fundamente für die Grabsteine werden hergestellt (05.11.2010):



Die Grabsteine und das Luther-Denkmal sind gesetzt (20. bzw. 25.05.2011):



Der Staketenzaun wird aufgebaut (28.05.2011):



Die Bank ist aufgebaut (26.08.2011), die Schutzdächer installiert und der Rasen eingesät (10.09.2011):



 
Die historischen Grabsteine
Im Beschluss der Mitgliederversammlung März 2007 hatte sich der Heimatverein Datterode e. V. (HVD) der Sicherung dieser kulturhistorischen Kleinode, die in der Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland aufgeführt sind, verschrieben. Nach Gesprächen mit Landeskirche, Kirchenvorstand unter Beteiligung des Eschweger Historikers Dr. Karl Kollmann, in denen der HVD sein Interesse am Erhalt sowie seine Bereitschaft zur fachgerechten Sicherung und sinngebenden Aufstellung dokumentierte, konnten vom Sommer 2007 bis Ende 2010 die Grabsteine geborgen und zur Durchtrocknung eingelagert werden. In der Folge wurden die Grabsteine durch die Fa. Scholz, Ringgau-Netra, gereinigt, ausgebessert und konserviert.
Da der Kirchhof („Kerchhoob“) bis Anfang der 19. Jahrhunderts Datterode als Begräbnisstätte diente, befanden sich einst viele alte, zum Teil sehr aufwendig gestaltete Grabsteine auf der Fläche an der Kirche. Auch auf dem alten Teil des heutigen Friedhofs, der Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt wurde, standen einst imposante Grabmale. Die letzten erhaltenen historischen Grabmale wurden 1964/65 an der Rückseite des Kirchturms platziert. Von den ehemals fünf historischen Grabsteinen sind heute leider nur noch zwei erhalten

Die einstmals dreiGrabkreuze[1] (von denen 1991 lediglich eines, dazu zerbrochen, erhalten war - die Reste wurden vernichtet), dienten dem Andenken an Pfarrer Carl Eisenberg (Pfarrer zu Datterode ab 12. Juli 1840), der hier am 1. Januar 1847 an Typhus verstarb, dessen verstorbene Gattin sowie eines verstorbenen Kindes. Sie waren aus rotem Buntsandstein gefertigt, der leicht sandelt. Sie bestanden aus drei etwa gleich großen, ca. 1,55 m hohen lateinischen Kreuzen mit einem Sockel und einem die Kontur begleitenden Wulstrahmen. Sie wiesen alle Inschriften auf der Vorder- und Rückseite auf und zeigten zudem Symbole.
Das in Fragmenten erhaltene Grabkreuz des Pfarrers Carl Eisenberg war bereits 1965 in einem sehr schlechten Zustand, so dass damals die Inschrift nur in Teilen und die Symbole nicht mehr erkannt werden konnten; sie waren bereits abgeplatzt. Lesbar war noch: „Hier ruhet Carl Eisenberg Pfarrer .../…starb…1847".Die Inschrift der Rückseite war 1965 bereits zur Unkenntlichkeit verwittert.
Das zweite Grabkreuz zeigte auf dem Querbalken eine Inschrift - auch in lateinischer Fraktur - und darüber sowie darunter Symbole: Einen Schmetterling, das bekannte Auferstehungssymbol und eine aufgesprungene Puppe, aus der er geschlüpft ist. Die Inschrift der Vorderseite lautete: „Hier ruhet Dorothea Wilhelm: Ehefrau des/hiesigen Pfarrers Carl Eisenberg, geb. Otto. zu/haussen ohnweit Ober Aula am 9. Ap./1793 gest. am 28. Ap. 1843“. Die Inschrift der Rückseite: „Wan hier von uns, die Gott vereint,/der Letzte auch hat ausgeweint,/dan wird ein frohes Wiederseh’n auf ewig unser Glück erhöh“.
Das dritte, gleichfalls untergegangene Grabkreuz zeigte auf der Vorderseite oben eine Lyra, darunter die nur teilweise noch lesbare Inschrift: „Johan ... Otto gebor. am 20. April/...zu Kirchheim, ohnweit ... gestorben/am 5ten Mai 1843 war 59 Jahr …“. Die Rückseite wies neben der Inschrift einen Schmetterling, eine aufgesprungenePuppe sowie einen Anker (Symbol für Hoffnung), einen Kranz und eine Fackel (Lebenssymbol) miteinander verbunden auf. Hier befand sich die Inschrift: „Dort werd ich das im Licht kennen/Was ich auf Erden dunkel sah,/Das wunderbar und heilig nennen,/Was unerforschlich hier geschah“.

Das Grabmal der Pfarrersfrau Gertruda Jacobi
Das älteste Monument ist ein klassizistisches, ehemals dreiteiliges Pfeilerdenkmal aus grauem Buntsandstein.
Von diesem haben sich nur ein hoher Sockel, ein Obeliskenstumpf sowie Podestplatten - auf dem Kirchhof zerstreut - erhalten, während die Bekrönung in Form einer Vase oder Kugel nicht mehr auffindbar war; sie fehlte bereits in den 1960er Jahren. Leider konnte man sich somit keinen rechten Begriff mehr von dem ehemals stattlichen Monument machen.
Dieses älteste Grabmal hatte bis zum Beginn der Kirchenrestaurierung in den 1960er Jahren südlich der Kirche auf dem Kirchhof gestanden, ist dann versetzt und nördlich des Kirchturms neu aufgestellt worden. Bei dieser nicht fachmännisch vorgenommenen Translozierung hat das Monument durch Abstoßungen beträchtlichen Schaden genommen. Der Pyramidenstumpf stand dann Jahre auf der Mauerecke vor der Kirche; allerdings wurde er im Jahre 2005 durch ein Müllfahrzeug umgeworfen und beschädigt. Laienhaft ausgebessert, wurde die Grabsäule erneut dort aufgestellt. Der dazu gehörige quadratische Sockel und die Podeste lagerten zuletzt aufgrund von Bauarbeiten auf dem Parkplatz vor der Kirche.

Der Pyramidenstumpf zeigt an allen vier Seiten Inschriften; sie sind auf erhabenen Medaillonfeldern, die von Schleifen gehalten werden, angebracht. Die Originalinschrift lautete:Wanderer/Wer hier ruhet, das/ließest du! Was diese Frau/alß tugenthafte Gattin, sorg/föltige Mutter und treue/Tochter und Ehefrau war/das.../Jahr…“ (Folgendes fehlt!). Auf dem Feld daneben: „Grabmahl/der Gattin/vom Pfarrer Georg Ja:/Cobi zu Datterode“ Es folgt die Inschrift: „Frau mußte ins Grab/steigen in der blüthe Jahre/Jahre …“ (Folgendes fehlt). Die Inschrift der Rückseite lautete: „Dort oben/im Himmel/sehen wir uns/wieder!"
Der Sockel zeigt einen Pfeilerstumpf mit Schriftfeldern ebenfalls an allen vier Seiten und einem kräftigen Gesimsabschluss. Die Schrift ist eine Zierfraktur, sie war - nach erhaltenen Resten zu urteilen - dunkel ausgezogen. Die langen, geradezu beredten Inschriften sind für die Zeit der Entstehung kurz nach 1808, das sentimentale Zeitalter, typisch. Die Originalinschrift lautete:Die hier Ruhende ist/die Frau Pfarrerin Gertru/da Jacobi, eine Tochter/des Herrn Pulverfabri=/canten Georg Bierschenk/und dessen Ehegattin Frau/Anna Catharina Bier/schenk zu Wichmannshausen/Sie starb den 17ten SEP:/1808 im 26ten Jahre/Ihres Alte(rs)“. Auf dem Feld rechts daneben: „Bis zu jenem frohen Wiedersehen/ruhe hier/O selige Frau,/deine von uns Allen verehr=/te Asche sanft.“ Auf dem Feld links daneben: „Gott!/Was ist der Mensch!/Deine Wege sind/uner=/forschlich!“ Auf dem Feld der Rückseite: „Hier auf diesem Grabe/beweint die jammernde Liebe/eine treue Gattin/eine zaertliche Mutter/und eine gute Tochter.“

Der Pyramidenstumpf zeigt gleichfalls an allen vier Seiten Inschriften; hier sind sie auf erhabenen Medaillonfeldern, die von Schleifen gehalten werden, angebracht.

Vorderseite:
Wanderer
Wer hier ruhet, das
ließest du! Was diese Frau
alß tugenthafte Gattin, sorg-
fätige Mutter und treue
Tochter und Ehefrau war
das…/Jahr…

Auf dem Feld daneben:
Grabmahl
der Gattin
vom Pfarrer Georg Ja:
Cobi zu Datterode

Es folgt die Inschrift:
Frau mußte ins Grab
steigen in der blüthe Jahre
Jahre …

Die Inschrift der Rückseite lautet: Dort oben im Himmel sehen wir uns wieder!

Das Grabmal des Johann Eobald Wieditz
Das noch gut erhaltene Grabmalist ein nachbarocker Grabstein aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Er gehört zu einer Gruppe von ländlichen Grabsteinen dieser Region, die sämtlich aus diesem Steinmaterial gefertigt wurden und sich vor allem in den Dörfern des Sontraer Landes und des Richelsdorfer Gebirges erhalten haben. Sie weisen bei vielfach nachweisbarer „Stilverspätung“ eine beachtliche handwerkliche Qualität der Steinmetzarbeiten auf.
Das Grabmal in Datterode, um 1850/51 entstanden, zeigt einen großen runden Schriftspiegel auf dem unteren Teil, der von einer Girlandenkartusche umgeben wird, darüber einen zweiteiligen Aufsatz mit gleichfalls - wie am unteren Teil - bewegter Kontur. Im Spiegelfeld des Aufsatzes, das von eingerollten Akanthusranken umschlossen wird, ist ein Achtstern sichtbar, wo gewöhnlich figürliche Darstellungen - meist der Verstorbene mit seiner Familie - erscheinen. Vorder- und Rückseite weisen Inschrift in Zierfraktur auf, die noch problemlos zu lesen sind. Die Stele ist 1,42 m hoch, 0,775 m breit und 0,173 m stark; sie ist insgesamt noch gut erhalten, es zeigen sich nur geringe Abplatzungen.

Die Originalinschrift der Vorderseite lautet:
Hier ruhet in Gott/Johann Eobald Wieditz/geboren am 30. Nov. 1817/verheirathete sich am 30. Nov./1845 mit Barbara Elisabeth/geborene Wetterau zu Harmuths/hausen und er zeugte in einer/5jährigen Ehe, 3 Kinder, l. S. und 2. T./Er starb am 13. Nov. 1850 im/Alter von 33 Jahr 3 M. 30 T.
Die Rückseite weist im oberen Teil das Relief eines Mühleisens mit aufgelegtem Zirkel, beides SymboledesMüllerhandwerks, auf.Die Originalinschrift darunter lautet: „Der Tod schlägt tiefe Wunden/Dies habe ich empfunden/seit dem ich Dich verlohr/lch weine mit 3 Kindern/Gott mag die Schmerzen lindern/Zu ihm sehn wir empor.

Der Grabstein des Johann Eobald Wieditz, dessen Stammbaum sich bis Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, konnte im Sommer 2007 geborgen und zur Durchtrocknung durch den Heimatverein Datterode e. V. eingelagert werden. Nach Säuberung und Konservierung ist er heute wieder ein beeindruckendes Monument, das von großer Trauer und Liebe der Angehörigen kündet, aber auch vom Standesbewusstsein einer der wohl ältesten Familien von Datterode, nämlich die der Obermüller Wieditz („Äwwermeller“). Kaum eine angestammte Datteröder Familie kommt ohne eine/einen „Wieditz“ im Stammbaum aus.

Wenn man, verehrte Leserin, verehrter Leser, erfasst, wie viel Ausdruck alte Grabmale bergen, erkennt man die große Liebe zu dem oder der Verstorbenen, den Schmerz über den Verlust aber auch Zeichen der Hoffnung und des Glaubens. Ganze Geschichten sind auf alten Grabsteinen aufgeschrieben worden. Meisterliche Steinmetzarbeiten wurden – wenn man es sich leisten konnte - eingesetzt, um dem oder der Toten eine ehrenvolle Grabstätte zu gestalten. Wie Menschen mit ihren Toten umgehen, sagt viel über ihren Charakter aus. Gehen Sie an fremden Orten ruhig einmal bewusst über einen Friedhof – Sie werden erstaunt sein. Schade, dass in Datterode nicht mehr dieser kulturhistorischen Kleinode übrig geblieben sind. Theodor Gottlieb von Hippel (1741-1796), ostpreußischer Schriftsteller und Staatsmann, einst Stadtpräsident von Königsberg, drückte es so aus: „Der Grabstein ist der wahre Stein der Weisen.“

Das Luther-Denkmal
Der HVD stiftete das Denkmal für das anstehende Jubiläumsjahr 2017 im Hinblick auf das Schaffen des Reformators und dessen Auswirkung auf die religiöse Prägung unserer Region. Das Denkmal wurde vom Künstler Ottmar Hörl erschaffen und ist eine der 800 Figuren, die er vom 14. August bis 12. September 2010 in Wittenberg vor eben der Schlosskirche installiert hatte, an deren Tür Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine Thesen anschlug.

Der neugestaltete Platz auf dem Kirchrain wurde am 16. Oktober 2011 mit einer Feierstunde der Öffentlichkeit übergeben (vgl. Veranstaltungsarchiv 2011). Hier einige Fotos zur Feierstunde:





Das Projekt wurde gefördert von der Gemeinde Ringgau, der VR-Bank Werra-Meißner eG
sowie der Hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst


[1]Vgl. Dr. Gerhard Seib in „850 Jahre Datterode“, Der Festausschuss Datterode, Verlag Friedrich Gajewski 1991

 


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