Wann erstmals Juden in Datterode wohnten, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. In den Dörfern des Ringgaus tauchen sie am Ende des 16. Jahrhunderts vereinzelt auf. Über die lange Geschichte ihrer Vertreibung aus der Heimat und die Verbreitung über Europa kann an dieser Stelle nicht berichtet werden. Gerade in den kleinen Dörfern war die Rolle als mehr oder weniger geduldete Minderheit noch spürbarer als in den Städten und größeren Orten (wie z. B. Abterode oder Reichensachsen), wo sich starke Gemeinden bilden konnten. Ob der um 1546 in Röhrda ermordete Märten Moyse aus Datterode ein Jude war, ist wegen des Vornamens Martin eher unwahrscheinlich. Einen ersten sicheren Hinweis haben wir im Jahre 1595. In einem Brief vom 14. Juli 1595 fragen die landgräflichen Räte in Kassel beim Landvogt an der Werra an „den Jueden zu Dattenroda betr., welcher falsche Müntz außgeben halt.“ Falschmünzerei war ein Delikt, das recht häufig in den Akten vorkommt - kein Wunder bei den vielen Münzsorten – und auch ziemlich oft im Zusammenhang mit Juden. Auch dies verwundert nicht, da die Juden vom Geldgeschäft und Handel leben mussten und ihnen ein „ehrbares Handwerk“ lange Zeit untersagt war. Den Namen des Datteröder Juden von 1595 erfahren wir leider nicht, ebenso wenig sein Schicksal. Dass er nicht reden will, wird ihm zum Nachteil ausgelegt: „Es muß mehr dahinter stecken, er kann nicht unschuldig sein“. Lange Zeit hört man dann nichts von Juden in Datterode. Die jährlichen Abrechnungen über das zu zahlende Judenschutzgeld - eine Art Kopfsteuer für die Aufenthaltsberechtigung - vermelden in Datterode nichts bis zum Jahre 1672. Erst 1673 und 1674 ist Löwe Heilbrunn mit 2 Gulden Schutzgeld verzeichnet.
Der eigentliche Beginn der Geschichte der Juden in Datterode liegt jedoch im Jahre 1683. Hier erscheint erstmals Meyer Calman, später auch nur Meyer genannt, mit einer Abgabe von 2 Gulden Schutzgeld jährlich; er bleibt auch im Ort und gründet eine Familie. Aus einer späteren Notiz erfahren wir, dass er von Gerbershausen auf dem Eichsfeld hierher nach Datterode gekommen ist. Seinen Schutzbrief - die endgültige förmliche Aufenthaltsgenehmigung - erhielt er am 22. Februar 1697. 1729 wohnte er mit seinem Sohn und dessen Familie noch hier. Eine Aufstellung aus jenem Jahre gibt an:
„Calmann Meyer, l Weib, 2 Söhne, l Tochter; der älteste Sohn von 11 und die Tochter von 6 Jahren. Siedet Seife und hat ein „Haußkrähmgen“. Andere „Domestiquen“: „Seinen alten Vatter. Hat keinen Schutzbrief, ist bürtig aus Dattenroda.“
„Meyer Calmann, des vorigen Vatter, l Sohn, 2 Töchter, sind alle verheiratet, handelt nicht mehr. Schutzbrief vom 22.Februar 1697“; „ist von Gerbershausen und will vormahls bey getroffenem accord mit der Judenschafft das Einzugsgeldt bezahlt haben.“
„David Heilbrunn, l Weib; handelt mit Pferden, hat keinen Schutzbrief, ist von Wichmarmshausen und hat kein Einzugsgeld entrichtet.“
Eine ähnliche Aufstellung vom 1. Mai 1731 zeigt keine wesentlichen Veränderungen:
„Calman Meyer, Frau und 4 Kinder, mit dem alten Vatter; David Heilbrunn, Frau und
l Kind.“
Der Datteröder „Steuerstock" von 1737 nennt 3 Juden im Ort:
„No. 97Sandel der Jude, hat nichts;
No. 98Calman Meyer, Haus, Hofreide und Garten an Davidt Schmul;
No. 99Davidt Schmul, Haus, Hofreide und Garten an Conrad Bachmann, ¼ Acker Land am Nestberge, l Kuh.“
Der Jude Sandel wird nur hier genannt und ist in den folgenden Auflistungen entweder übersehen worden oder wieder fortgezogen. Wegen seines Namens könnte man einen Zusammenhang mit dem erst nach 1800 auftauchenden Sander Pfifferling vermuten.
Die Zahl der Juden in der Landgrafschaft Hessen hatte sich bis um 1740 auf etwa 4000 erhöht. Durch ihre starke Mobilität waren sie für die Bürokratie nicht vollständig erfassbar, und so ging eine 1744 aufgestellte Statistik trotz großer Genauigkeit doch am Ziel vorbei, nämlich diejenigen Juden auszuweisen, die keine Berechtigung zum Aufenthalt besaßen. Aus weiteren Quellen wie Steuerbüchern usw. ist zu ersehen, dass viele trotz verfügter Ausweisung im Lande blieben.
Im Lager-, Stück- und Steuerbuch von 1745 (vgl. „Ortsbeschreibung von 1745“) sind zwei Judenfamilien in Datterode verzeichnet:
„No. 74, Calman Meyer, handelt mit Vieh und kurtzer Waare, Haus und Hofreide an David Schmoll.
No.75, David Samuel, Wohnhaus und Hofreide an Christian Bachmann.“
Der gleichzeitige so genannte „Hantierungsanschlag“ bringt etwas mehr Informationen: „Callmann Meyer, hat ein eigen Haus, handelt mit Vieh und kurzer Ware, schlachtet auch auf dem Laden plus minus jährlich 10 Stück Rindvieh und soviel Kälber, hat l Frau, l Sohn, l Tochter. David Samuell, hat ebenmäßig ein eigen Haus, führet einen schlechten Handel mit altem Vieh und hat nicht viel im Vermögen.“
Die weiteren Besitzverhältnisse der beiden Judenhäuser können aus den Fortschreibungen des Steuerkatasters entnommen werden, wenn auch nicht mit ganzer Vollständigkeit. So ging Calman Meyers Haus 1763 an dessen Sohn Baruch Calmen über. Die Dorfkarte von 1790 verzeichnet hier bereits dessen Erben. 1841 erhielt Salomon Löbenstein das Haus. Vermutlich ist die Familie dieselbe geblieben; zu Beginn des 19.Jh. mussten die Juden feste Familiennamen annehmen. Das Haus von David Samuel ging 1763 an Moses Heilbrunn und dann 1771 in nichtjüdischen Besitz über. Nach Johannes Lotz, Caspar Vogeler und Conrad Eisel erwarb es 1809 wieder ein Jude, Callman Baruch, sicher ein Sohn des Baruch Calmen im Nachbarhaus. Er nahm den Namen Löbenstein an; 1829 ging es an dessen Sohn Baruch Löbenstein. Um 1804 kaufte Meyer Baruch, wohl auch ein Sohn von Baruch Calmen, das Haus No. 68 von Heinrich Börner. 1842 ging es an seinen Sohn (!) Israel Löbenstein. Ferner
erwarb Sander Pfifferling laut Kaufbrief vom 14.8.1828 von Johannes Munck das Haus No. 14. Die weitere Entwicklung von 1845 bis etwa 1875 ist den Steuerkatastern jener Zeit zu entnehmen:
Haus No. 8 (alte No. l4): 1845 Sander Pfifferlings Erben, nämlich: l. Beile Pfifferling, verh. gewesene Katz zu Netra 2. Joseph Pfifferling dahier 3. Sara Pfifferling 4. Kalmen Pfifferling 5. Lea Pfifferling, verh. Katz zu Netra.
Am 30.7.1858 erwarb Joseph Pfifferling, Sanders Sohn, die Titel l und 5. Am 13.2.1868 ging der Titel 4 an Joseph Pfifferlings Kinder: 1. Beschen, 2. Bernhardt, 3. Sander, 4. Baruch, 5. Minkchen, 6. Lea, 7. Berle, 8. Jacob, 9. Marcus, 10. Malchen, 11. Sarchen, 12. Levi und 13. Giedel.
Im Haus Nr. 8 wohnte bis zu seinem Tode am 15.7.1933 der Manufakturwarenhändler Albert Pfifferling (genannt „Tambour"), dessen Frau Toni geb. Rothschild, 2 Töchter und l Sohn (Julius). Minke und JacobPfifferling wanderten 1871 nach Amerika aus.
Im Haus No. 31 wohnten nach dem 1. Weltkrieg der Handelskaufmann Baruch Lobenstein, dessen Frau Helena und zwei Töchter.
Haus No. 64 erwarben Callmann Pfifferling und dessen Frau Sara geb. Heß im Jahre 1852 von August Theodor Streibeleins Witwe, dazu 5/8 Acker Land auf der Schleife. 1868 waren es l 1/8 Acker Land. Hier wohnte der Viehhändler Hermann Pfifferling, gestorben 15.1.1938; seine Frau Jeanette starb am 5.4.1937. Das Ehepaar hatte 3 Töchter und einen Sohn Karl, der nach New York emigrierte (im Dorf abgemeldet am 12.1.1938 - mit dem Schiff "Manhattan" abgereist von Hamburg am 16.1.1938); er erhielt das Haus 1950 zurück (Besitzer wurde Frisör Karl Köbrich/heute Friseursalon Fissmann, Leipziger Str. 4).