„Diese Verse aus Wolfram von Eschenbachs um 1210 entstandenen Parzival stellte Karl Frölich, dem wir wesentliche Erkenntnisse über die Dorfgerichtsplätze verdanken, an den Anfang seines Beitrags über „geleitete und gestufte Linden auf hessischen Dorfplätzen“; die Verse beweisen, dass es schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts ummauerte und geleitete Linden gab. Rechtshandlungen unter der Linde (sub tilia) sind in Oberhessen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts urkundlich belegt. Solche Belege gibt es für das Werraland – und damit auch für den Ringgau – nicht. Wenn gleichwohl der Altkreis Eschwege gewählt wurde, so deshalb, weil hier nahezu in jedem Dorf ein „Anger“ mit Dorflinde(n) nachgewiesen werden kann.“
Zum damaligen Amt Eschwege gehörte u. a. auch das Gericht Boyneburg, dem wiederum Datterode angehörte. „Ursprünglich war wohl die Gerichtsstätte auf der Boyneburg selbst, wo sich im 16. Jahrhundert auch ein Gefängnis befand. Galgen als Zeichen für Richtstätten sind in der Mercator-Karte von 1592 nordwestlich der Boyneburg an der Netra und östlich von Netra eingezeichnet.“ Als Flurbezeichnung an der B 7, ca. 1500 m Richtung Röhrda, kennt man übrigens heute noch in Datterode den „Galgenrain“ und den Galgenrainsborn (= -bach). Inwieweit hier tatsächlich eine Hinrichtungsstätte gewesen sein könnte, ist nicht bekannt.
Der Datteröder Anger, der sich heute wieder in einer sehr ansehnlichen Form präsentiert, hat eine über Jahrhunderte währende Geschichte. Die ersten überlieferten Hinweise finden wir „um 1570 zu einem Haus under dem anger, 1636 platz vor der schuelen, der kleine Anger genant; 1629 Haus und Hof beim grossen anger, 1717 Anger, 1787 Gemeinde Anger; heute an gleicher Stelle an der Netra, nicht an der Kirche, 4 junge Linden in flacher Ummauerung. 1844: Der Gemeindeanger (Linde) … ist der einzige öffentliche Platz und dient zur Versammlung der Gemeindemitglieder bei Bekanntmachungen von Gesetzen etc. und als Tanzplatz für die Jugend bei allgemeinen Belustigungen.“
Wenn die Keimzelle des Dorfes um die Kirche herum war (vgl. „Aus der Geschichte Datterodes“), so dürfte zunächst mindestens der o. a. „kleine Anger“ in der Nähe der Kirche existent gewesen sein. Der „Platz vor der Schule“ spricht ebenfalls dafür, da bis zum Abriss (1978) die alte Schule (Nachfolgegebäude wurde an dieser Stelle 1910 erbaut) am Platz vor der Kirche (Kirchrain) gestanden hat und unterhalb davon ein jetzt noch erkennbarer halbrunden Platz liegt.
Durch die zunehmende Besiedlung wich man in die Talsohle aus, wo sich heute der Anger (o. a. „großer Anger“) noch befindet. Während der „kleine Anger“ wohl mit zunehmender Besiedlung an Bedeutung verlor und es auch eines größeren Platzes bedurfte, könnte der „große Anger“ eingerichtet worden sein. So sind jedenfalls die Quellen zu interpretieren.
Der Anger war bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in alter Form vorhanden. Die ihn rings umgebenden Steinquader lagen zwar nicht mehr alle in der Ursprungsform, doch der Baumbestand mit den Lindenbäumen ließen den Platz als solchen erkennen. Die unteren, Richtung Netrabach fehlenden Angersteine waren entfernt worden, um Erntewagen bei Gewitter bzw. Regen zum Schutz unter die Angerbäume fahren zu können. Zudem wurde der Anger auch als Holzlagerplatz und wurde dementsprechend befahren.