Die Geschichte der Boyneburg

Der Heimatverein Datterode e. V. trägt in seinem Logo eine Zeichnung die Ruine der Boyneburg. Datterode und die Boyneburg stehen wie wohl kaum ein anderes Dorf des ehemaligen Gerichts Boyneburg in einem engen historischen Verhältnis. Im Internet und im Schrifttum finden sich viele Quellen, die sich mit der Boyneburg, ihrer Geschichte und ihrer Herrschaft befassen. Entsprechende Quellen sind am Ende dieses Artikels exemplarisch aufgeführt. An dieser Stelle soll versucht werden, durch historische Abrisse die enge Verbindung der Burg zur Region, zu unserem Dorf und zur deutschen Geschichte zu ermöglichen.

Am 12. Mai 1292 wird in Frankfurt am Main eine Rechtshandlung von großer Tragweite bezeugt: König Adolf von Nassau verleiht Landgraf Heinrich von Hessen die Reichsfestung Boyneburg und die Stadt Eschwege als erbliches Lehen und erhebt Heinrich in den Reichsfürstenstand. Auf bzw. mit der Boyneburg schlug die Geburtsstunde des Landes Hessen. Da es keine Erbmonarchie gab, wurden König und Kaiser von einem kleinen Kreis von Fürsten gewählt. Erst im 14. Jahrhundert wird die Zahl der Wahlberechtigten auf sieben Kurfürsten festgelegt. Und die Wähler wollten natürlich von ihrem Kandidaten belohnt werden. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Königs war, unmittelbar nach der Wahl und noch vor der Krönung in Aachen, die Erhebung Hessens in den Reichsfürstenstand – ein Dankeschön – ein Wahlgeschenk. Für Heinrich, „das Kind von Hessen“, wie er genannt wurde, ging damit ein wichtiger Wunsch in Erfüllung. Als 1247 der letzte Thüringer Landgraf Heinrich Raspe ohne männliche Erben starb, handelte Sophie von Brabant, die Tochter der Heiligen Elisabeth, schnell. Sie meldete die Herrschaftsansprüche ihres gerade drei Jahre alten Sohnes Heinrich an. Es dauerte fast zwanzig Jahre, bis es Heinrich „dem Kind“ gelang, diese Ansprüche auch durchzusetzen. Nur die Reichsfürstenwürde fehlte ihm noch, um seinen planvollen Ausbau der Herrschaft in der Landgrafschaft Hessen voranzutreiben. Um als Reichsfürst anerkannt zu werden, war ein symbolischer Akt nötig: Die Verleihung eines Reichslehens. Die Boyneburg war dieses Symbol! 1

Der folgende Überblick über die Geschichte der Boyneburg erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Dr. Karl Kollmann2:

Überblick über die Geschichte der Boyneburg

Der Anfang der Geschichte der Boyneburg liegt im Dunkeln. Mit Sicherheit bringen die vor einigen Jahren begonnenen jährlichen Ausgrabungen nicht nur neue Erkenntnisse aus der Zeit des Mittelalters, sondern auch aus der vor- und frühgeschichtlichen Periode des Burgberges. Zufällig gemachte Einzelfunde deuten darauf hin, dass der Berg aufgrund seiner Lage schon früh von Menschen genutzt wurde; sei es als Fluchtburg in Kriegszeiten, sei es als dauernder militärischer Stützpunkt oder als befestigte Siedlung. Vermutungen über die vor- und frühgeschichtliche Rolle der Boyneburg sollen daher an dieser Stelle unterbleiben; deren Darstellung mag einer späteren Bearbeitung nach Auswertung der Ausgrabungsergebnisse vorbehalten bleiben. Die Grabungsarbeiten begannen mit Vermessungen im Sommer 1986 und ersten Suchschnitten im Sommer 1987 und werden vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landesamt für Denkmalpflege - Abteilung Bodendenkmale - durchgeführt.

Die Burg erscheint erstmals im Jahre 1107 in der schriftlichen Überlieferung. Der Name soll erster Gegenstand unserer Betrachtungen sein; daher hier zunächst einmal die ältesten überlieferten Namensformen:
Bemelburg (-burch): 1107, 1139/55, um 1200.
Bumeneburc: 1123,1144,1156.
Boumeneburch (-burc, -burh, -bürg): 1128, 1137, 1166, 1347.
Boimeneburch (-burc, -burg): 1138, 1143, 1272, 1292.
Bomeneburch (-borgh, -bürg): 1143, 1188, 1292.
Boumineburch: 1150-1165/1168.
Bomeneburg: 1292.

Sieht man einmal von der ältesten Nennung (1107, mit Wiederholungen dieser Quelle) ab, die sich in einer chronikalischen Aufzeichnung findet und vielleicht eine verderbte Form wiedergibt, so fällt bei allen übrigen Nennungen des 12. bis 14. Jahrhunderts eine starke Ähnlichkeit der Formen auf, die als Abweichungen einer Grundform gesehen werden können. Der Name ist aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt: Dem von althochdeutsch „boum" (Baum) abgeleiteten alt- und mittelhochdeutschen Adjektiv „bournin" („bäumern“, hölzern) als Bestimmungswort einerseits und dem Grundwort „Burg" anderseits. Zwei Deutungen bieten sich demnach an: Eine aus Holz bzw. Bäumen errichtete oder eine von Bäumen umstandene Burg. Die in Dörfern der Umgebung noch gebräuchliche mundartliche Form „Bäumewerk" (Anm.: In Datterode „Beinewerk“ oder neuer auch „Böneburch“) mag auf eine größere Wahrscheinlichkeit der ersten Deutung hinweisen, also eine aus Baumstämmen errichtete Burg oder Holzburg. Ob dies auf eine vielleicht vorhandene frühgeschichtliche Fluchtburg mit Palisaden oder auf die erste hochmittelalterliche Grafenburg zu beziehen wäre, muss offen bleiben.

Für die Anlage einer Burg an dieser exponierten Stelle, dem nordwestlichsten Ausläufer der Ringgauhochfläche, waren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Der nach allen Seiten steil abfallende Berg ist nur im Südosten durch einen schmalen Grat mit der Hochfläche verbunden und somit für eine Burg geradezu prädestiniert. Dies mag schon in frühgeschichtlicher Zeit die Anlage einer Volks- oder Fluchtburg begründet haben. Die strategisch günstige Lage ließ nicht nur eine Kontrolle der Ringgauhochfläche zu, sondern auch der Verkehrswege in den Tälern: Die Burg beherrschte den Kreuzungsbereich mehrerer wichtiger Fernstraßen, die im mittelalterlichen Verkehrsnetz von Bedeutung waren. Dazu gehört die Nord-Süd-Verbindung von Göttingen her mit der Gabelung bei Wichmannshausen in einen südwestlichen Strang nach Hersfeld und zum Rhein-Main-Gebiet (die heutige B 27) und eine südöstliche Richtung über die Werraübergänge von Gerstungen/Berka nach Bamberg und Nürnberg einerseits sowie die Ost-West-Verbindung vom Niederrhein über Kassel und Waldkappel, von hier mit einer weiteren Straße aus Mittelhessen (die „langen Hessen"); diese teilte sich unweit der Burg in mehrere Linien in Richtung Osten auf: Einmal durch das Netratal in Richtung Eisenach und Leipzig (die heutige B 7), weiterhin in verschiedenen Strängen an Eschwege vorbei und später durch die Stadt über Wanfried in Richtung Mühlhausen.

Die Boyneburg wird erstmals in den Paderborner Annalen zum Jahre 1107 erwähnt. Nach einer dort vermerkten Notiz befahl König Heinrich V. auf seinem Zug durch Thüringen nach Sachsen im Januar 1107 die Zerstörung der stark befestigten Burg, weil von ihr aus „Räubereien gegen die Nachbarn''' verübt worden seien. Das bedeutet freilich nicht, dass die Burgherren damals als Raubritter und Wegelagerer die Straßen unsicher gemacht und sich von Raubtaten ernährt hätten. Vielmehr muss man die damals aktuelle politische Lage betrachten: Als Eigentum der Grafen von Northeim-Boyneburg - worauf im Folgenden zu kommen sein wird - war sie ein wichtiger Stützpunkt der sächsischen Grafenopposition gegen den König. Die Formulierung der Chronik spricht übrigens nicht allgemein von einer Zerstörung, sondern exakter von einer Verbrennung der Burg; auch wenn damit wohl nur die Holzaufbauten auf steinernen Fundamenten gemeint sein mögen, sollte man doch in diesem Zusammenhang an die oben dargelegten Ausführungen zum Namen Boyneburg denken, die auf eine „Holzburg" hinweisen. Sicher ist die Burg schnell wieder aufgebaut worden, was man aus den weiteren urkundlichen Nachrichten entnehmen kann, die nun im 12. Jahrhundert dort recht zahlreich vorliegen. Zunächst aber ist ein Blick auf die politischen und territorialen Verhältnisse des Raumes um die Boyneburg notwendig, nicht zuletzt um die folgenden Ereignisse der Burggeschichte verstehen zu können.

Die Grafen von Northeim, ein sächsisches Hochadelsgeschlecht, finden sich schon vor der Jahrtausendwende mit Rechten und Besitzungen in der Werralandschaft begütert. Wie sie diese Besitzungen erworben haben, ist nicht bekannt und wohl auch nicht eindeutig durch Forschungen zu klären. Im Einzelnen finden sich die folgenden urkundlichen Hinweise, wobei zu bedenken ist, dass schriftliche - vor allem aus jener Zeit - nur zufällig die Zeiten überdauert haben und uns daher selten eine eindeutige Beurteilung der geschichtlichen Zusammenhänge erlauben. Es bleibt dem Historiker nur eine Erörterung der mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeit der angenommenen Verhältnisse.

Im Jahre 993 lag die Wüstung Gangestal (zwischen Breitau und Grandenborn) in der Grafschaft des Grafen Siegfried. Dieser Graf Siegfried wird mit dem gleichnamigen Grafen von Northeim identifiziert, der vielleicht im Jahre 1004 verstarb. Er ist der erste einer Reihe von Grafen dieser Familie, von denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Boyneburg zu ihren Stützpunkten gehörte; zu beweisen ist dies allerdings nicht. Siegfrieds Sohn Siegfried II. ist 1015 als Vorbesitzer eines Gutes in Wanfried anzutreffen; 1019 liegt sodann Herleshausen im Gau Ringgau und in der Grafschaft des Grafen Siegfried. Die Familie bleibt demnach weiterhin für das mittlere Werraland von Bedeutung. Erst die übernächste Generation der Northeimer ist dann wieder direkt mit Beziehungen in unsere Heimat nachzuweisen: Die Söhne Otto von Northeim, des Herzogs von Bayern, nämlich Heinrich (mit dem Beinamen „der Fette") und Siegfried (III.). In Heinrichs Grafschaft lag im Jahre 1075 Eschwege, und die Pfarrkirche in Röhrda wurde um 1089 von ihm an den Mainzer Erzbischof und von diesem wiederum an das Kloster Lippoldsberg geschenkt. Siegfried IV., der letzte des Geschlechts, besaß nachweislich Lehen und Eigengüter um die Boyneburg; ob er noch Grafschaftsrechte ausübte, ist zweifelhaft, zumal die Grafschaftsverfassung Ende des 11. Jahrhunderts ihre Bedeutung verliert.

Siegfried IV., der sich erstmals auch nach der Boyneburg nennt (seit 1123), gibt durch die Schenkung von Gütern an das Kloster in Northeim im Jahre 1141 einige Hinweise über den Umfang des northeim-boyneburgischen Besitzes. Dieser Besitzkomplex gelangte später an das Kloster Bursfelde und schließlich 1446 an die Familie von Boyneburg, wobei sich die Lage der Besitzungen zum Teil rekonstruieren lässt. Sicher ist dies bei weitem nicht der gesamte northeim-boyneburgische Besitz gewesen, sondern nur ein kleiner Teil davon. Den größten Teil der northeim-boyneburgischen Güter finden wir im späten Mittelalter in den Händen der boyneburgischen Burgmannenfamilien wieder, vor allem der sich nach der Burg nennenden Familie selbst, aber auch
derer von Keudell, von Eschwege, von Diede, der Vögte von Sontra und andere mehr. Mit Siegfrieds IV. Tod im Jahre 1144 starb das Geschlecht der Northeim-Boyneburger in männlicher Linie aus. Während die Burg selbst Reichsburg wurde, gingen die verbliebenen Besitzungen in der Umgebung andere Wege, die nicht restlos geklärt sind.

Die Burg selbst gelangte wohl ohne nennenswertes Zubehör in die Hände des Reiches. Auch war von dem ehemals vorhandenen Reichsgut im Umland der Burg wohl nichts mehr übrig geblieben, als Kaiser Barbarossa bei der Stiftung der Burgkapelle im Jahre 1188 zu deren Ausstattung Güter und Einkünfte von Landgraf Ludwig III. von Thüringen kaufen musste. Es ist jedoch hier auf den engen Zusammenhang der Boyneburg mit dem Königsbesitz in Eschwege hinzuweisen, der wohl auch die wirtschaftliche Grundlage für die Burg mit einschloss. Die Familie von Boyneburg wurde im Jahre 1471 u. a. in einem Lehnbrief mit ihrem Anteil des Schlosses Boyneburg und dazu einem freien Hof in der Stadt Eschwege sowie ein Vorwerk, genannt das Reichsvorwerk, belehnt. Hier finden wir die Reste des alten Reichsbesitzes vor, der im 12. Jahrhundert noch umfangreicher gewesen sein mag.

Nach dem Übergang der Boyneburg in Reichsbesitz errichtete Abt Markward von Fulda im Zeitraum 1150-65 unter offensichtlich hohen Kosten (nach eigener Angabe) Gebäude und Befestigungen, die die Bedeutung der Burg als Reichsburg unterstreichen. Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) stattete der Burg am 10. Mai 1156 einen ersten Besuch ab. Ob die Bauarbeiten damals zu Ende geführt waren, ist nicht bekannt; die Weihe der Burgkapelle 1188 lässt auf längere Zeiträume schließen. Von den heute noch vorhandenen Bauresten reichen offenbar keine Teile bis in diese Zeit zurück.

Auf den erwähnten ersten Besuch des Kaisers auf der Burg am 10. Mai 1156 folgten noch zwei weitere, von denen wir wissen: Am 20. August 1166 hielt der Kaiser hier einen Hoftag, an dem zahlreiche Fürsten und Kirchenherren teilnahmen; zuletzt besuchte er die Burg am 13. Juni 1188, wobei er die Priesterstelle der Burgkapelle mit Gütern ausstattete und einen Streit zwischen der Äbtissin in Eschwege und ihrem Vogt schlichtete. Das mittelalterliche Königtum war ein „Reisekönigtum" ohne feste Residenz, wobei sich der Herrscher der über das Reich verstreuten Königspfalzen und königlichen Besitzungen bediente. Die Vorstellung eines kaiserlichen Hoftages auf der Boyneburg regt vor allem in der heutigen Zeit unsere Phantasie an: Fürsten aus allen Teilen des Reiches, Bediente, Kriegsvolk - ein Hauch der „weiten Welt" in den Wäldern des Ringgaus

Über die Geschichte der Burg in den folgenden 100 Jahren wissen wir wenig. Die verschiedenen Burgmannenfamilien, die sich nach ihr nannten, treten zwar sehr häufig in Urkunden auf, wir hören aber nichts über die Burg selbst. Die genealogischen Zusammenhänge dieser Familien sind weitgehend ungeklärt; sicher waren sie untereinander stark versippt, was auch die stets wiederholt verwendeten Vornamen erklärt. Die ersten uns namentlich bekannten Burgmannen treten noch zu Zeit der northeim-boyneburgischen Grafen auf, also vor 1144. 1141 wird z. B. ein Almar genannt, dessen Name 1153, 1160/62, 1170, 1184 und 1188 wiederum erscheint, wobei unklar bleibt, um wie viele Personen gleichen Namens es sich dabei handelt. Die Zahl der Heinriche, Hermanne, Bodos usw., die sich mal nach der Boyneburg, mal nach Orten der Umgebung nannten, ist zu groß, um eine eindeutige Linie in die Familienzusammenhänge zu bringen. Erst ab Anfang des 14. Jahrhunderts sind die einzelnen Familien in ihre verschiedenen Stämme zu trennen: Die vonder Boyneburg selbst, die sich dann wiederum in drei Stämme teilen; die von Boyneburg genannt
Honstein, die von Netra, die von Trott, die Vögte von Sontra, die von Keudell, die von Eschwege usw. Festzuhalten bleibt, dass diese Familien aus dem Rang von Dienstmannen abstammen und nichts mit dem alten Hochadelsgeschlecht der Northeim-Boyneburger zu tun haben. Sie besaßen jedoch ein starkes Selbstbewusstsein vor allem gegenüber der erstarkenden hessischen Landgrafschaft, da sie sich auf ihren Rang als Dienstleute des Reiches beriefen und diesen Status der Reichsunmittelbarkeit solange als möglich zu erhalten suchten. Die Festigung ihrer Macht auf zwar beschränktem territorialem Bereich wurde vor allem im 13. Jahrhundert dadurch gefördert, dass das Reich in einer Phase der Schwäche und der König weit weg war.

Erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts erkannten die Boyneburger die Lehnshoheit des Landgrafen von Hessen durch die Annahme hessischer Lehnbriefe an. Dass sich die Burgmannen auf der Boyneburg bis ins 13. Jahrhundert als eine Gemeinschaft verstanden, wird u. a. an ihrem gemeinsamen Siegel deutlich, das an Urkunden von 1253, 1279 und 1289 vorkommt. Es zeigt unter einem Dreiberg mit zwei Türmen mit Zinnen einen dreigeteilten Baum mit Eicheln.

1278 stellte König Rudolf I. dem Landgrafen Albrecht von Thüringen die Boyneburg für militärische Hilfe gegen Ottokar II. von Böhmen in Aussicht. 1291 war die Burg mit dem übrigen Reichsgut in Thüringen in den Händen Gerlachs, Herrn zu Breuberg. Die Burg war weiterhin Reichsbesitz, jedoch offenbar von keiner größeren Bedeutung mehr für das Reich. Im Jahre 1292 schließlich übertrug König Adolf I. die Reichsburg Boyneburg zusammen mit der ihm vorher als Lehen aufgelassenen Stadt Eschwege - die seit 1264 hessisch war - dem hessischen LandgrafenHeinrich I. als Reichslehen und bewirkte damit dessen Erhebung in den Reichsfürstenstand. Seit 1292 ist also die Boyneburg hessisch.

Die von Boyneburg jedoch betrachteten sich weiterhin als Burgmannen des Reiches und sträubten sich gegen die hessische Oberhoheit, die sie erst mit den Lehnbriefen von 1449, 1460 und 1471 anerkannten. Die Ansprüche des Landgrafen, dass die Burg und ihr Zubehör hessisches Lehen seien, bestanden wohl nur auf dem Papier. Mitte des 14. Jahrhunderts ist nur noch von drei Stämmen derer von Boyneburg die Rede, die anderen Burgmannenfamilien finden keine Erwähnung mehr. Zur gleichen Zeit treten die Boyneburger erstmals mit Wohnsitzen in ihren Dörfern auf; es zeigt sich hier die beginnende Tendenz, den Burgberg zu verlassen. Die seit dieser Zeit deutlich unterscheidbaren Stämme, die sich in den Besitz der Burg teilten, sind:

1. Die von Boyneburg-Honstein
2. Die von Boyneburg-Bischhausen und Laudenbach (die Jungen)
3. Die von Boyneburg-Stedtfeld und Wichmannshausen (die Weißen)

Die erste Linie starb 1792 aus, die zweite 1803; die dritte Linie ist heute in alleinigem Besitz der noch vorhandenen Güter und des Burgberges. Durch den Verkauf eines Drittels aus dem Erben der 2. Linie an den hessischen Landgrafen im Jahre 1650 sowie durch den Heimfall an Hessen 1792 und 1803 gingen große Teile des Besitzes an den Staat über. Der Umfang der boyneburgischen Besitzungen wird in den erwähnten hessischen Lehnbriefen deutlich, jedoch gehört dies nicht in den Zusammenhang dieser kurzen Darstellung der Burggeschichte. Die Wohnungen der drei Stämme haben sich in der Erinnerung lange bewahrt; noch die Skizze von Schmincke (1880) verdeutlicht ihre Lage innerhalb des Wohnhauses auf der Ostseite der Burg. Ob die Zuordnung richtig ist, mag dahingestellt bleiben. Fest steht, dass sie heute noch sichtbaren Reste der Burg aus dem 14. Jahrhundert stammen, also der Zeit der drei boyneburgischen Stämme. Der fünfeckige, noch in zwei Mauern vorhandene, in die Ringmauer eingebundene Turm weist seine Spitze dem Plateau im Süden zu. Die Topographie der Burganlage ist den drei Grundrissen in diesem Heft zu entnehmen: Die älteste datiert aus dem Jahre 1720 und wurde anlässlich einer Meinungsverschiedenheit über Besitzverhältnisse des Burgwaldes angelegt. Sie zeigt die drei Stammschlösser mit den Bezeichnungen Stettfeld, Ludenbach und Honstein, die Kapelle und einen Torbau sowie den Turm (fälschlicherweise sechseckig), Auf dem Plateau sind ein Brunnen, eine Linde und ein Lustgarten eingezeichnet. Die Skizze bei Schmincke von 1880 macht den Turm zum Viereck, scheint aber sonst zutreffend zu sein.

Die im Jahre 1188 von Friedrich I. Barbarossa gestiftete Burgkapelle war mit Gütern ausgestattet worden, die der Kaiser vom thüringischen Landgrafen kaufte: Zunächst die Kapelle in Datterode mit Zubehör, sodann einzelne Güter in den Wüstungen Geilental, Kirchberg, Rateshagen, Wellershausen und Arboldshausen, im Dorf Röhrda und den dritten Teil des Waldes Bilnirst (Bilvirst?), der zwischen Röhrda und Datterode zu suchen ist. Da die einzelnen Liegenschaften bis ins 19. Jahrhundert der Pfarrei bzw. der Schule in Datterode Zinsen leisten mussten, konnten sie auch entsprechend lokalisiert werden.

Das Zusammenleben der drei Stämme der Boyneburger wurde auch nach deren Abzug von der Burg geregelt. Burgfriedensverträge sind aus den Jahren 1430 bis 1512 vorhanden, mit jeweils noch ausführlicheren Bestimmungen. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts haben sicher noch Angehörige der Familie auf der Burg gewohnt. Aber auch nach ihrem Abzug blieb die Burg von Bedeutung für gemeinsame Familientagungen, für Gerichtstermine und ähnliches. In einem Entwurf zu einem der Burgfriedensverträge werden Bestimmungen über die Bewaffnung getroffen, um sich eines Gegners erwehren zu können. Danach sollte jeder Stamm vier gute Hakenbüchsen und vier Handbüchsen, vier gute Armbrüste mit tauglichen Winden, fünfhundert gezähnte Pfeile und eine halbe Tonne Pulver zur Verfügung halten, auch nötige Verpflegung bereithalten.

Ein erster Vertrag zur Anstellung eines Baumeisters, der auf der Burg wohnen und sie instand halten sollte, datiert aus dem Jahre 1446. Offensichtlich war jedoch dieser Einrichtung keine Dauer beschieden, denn in einem erneuten Abkommen des Jahres 1533 heißt es: „Nachdem das Schloss Boyneburg eine Zeit lang unversorgt und unverwahrlich gestanden hat", wird darüber verhandelt, „dass einer von den drei Stämmen persönlich drei Jahre lang allen von Boyneburg zugute darauf wohnen und haushalten soll und das Schloss in Gewahrsam halten, soll damit auch die drei Jahre lang Baumeister sein.“ Jeder der drei Stämme soll ein Teil an Naturalien und sonstigen Unterhaltskosten zu diesem Zweck beisteuern. Wohl aufgrund dieses Vertrages wohnten noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts zwei Joste von Boyneburg-Honstein aus dem Hause Reichensachsen auf der Burg. 1557 werden hingegen keine Leistungen an den Baumeister mehr erwähnt, und nachdem dieser 1571 die Burg verlassen hatte, verblieb dort noch ein Burgvogt mit seiner Familie. Auf einem Familientage in Reichensachsen am 31. Mai 1571 wurde das Amt des Baumeisters aufgehoben und Casper Wagner aus Eschwege zum ersten „Samptdiener und Borkvogt uffs Haus Beunebergk“ bestellt. Sein Vertrag verpflichtete ihn dazu, die Burg in Gewahrsam zu halten, täglich den Wald zu begehen, den Pfarrer jeden Sonntag nach gehaltener Predigt zu speisen, ebenso den Torwärter zu beköstigen und die dem Schloss zustehenden Steuern zu erheben. Er durfte Vieh halten und die Gärten auf dem Berge benutzen, vorbehaltlich des Wunsches der adligen Familie, wieder selbst auf die Burg zu ziehen. Zu seiner Aufgabe gehörte es ferner, die Gefangenen zu verwahren, die sich aus dem gesamten boyneburgischen Gericht hierher bringen lassen mussten (vgl. Anm. in „Der Anger“). Hier wurde Margarete von Boyneburg-Honstein Anfang des 16. Jahrhunderts längere Zeit festgehalten. In den Rechnungen des Honsteinischen Stammes kommen im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts mehrfach Ausgaben für Baumaßnahmen auf der Burg vor. 1549 wurden l 1/2 Gulden „zumb Gebhauw gen Boineburgk" ausgegeben, 1598 erhielt der Töpfer aus Eschwege l Gulden 22 Albus „vom neuen Kacheloffenn in der Stahlstuben uff Boyneburgk“. Weitere Baumaßnahmen kleinerer Art sind 1597 und 1609 genant.

1573 gerieten die drei boyneburgischen Stämme wegen des Burgwaldes in Streit. Im Verlauf der Streitigkeiten wird darauf hingewiesen, dass die Vorfahren die Stammburg absichtlich ungeteilt gelassen hätten, damit die Stadt Eschwege und die umliegenden Ämter und Dörfer sie zur Verteidigung benutzen könnten. Der Landgraf verfügte, dass auch der Wald ungeteilt bleiben solle; nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde er dann doch in mehreren Schritten aufgeteilt, zumal nun der Landgraf selbst unter den Eigentümern war.

Im Dreißigjährigen Kriege fand die Burg ihren endgültigen Untergang. 1626 wurde sie von Tilly geplündert und 1637 von den Kroaten verbrannt (vgl. „Zur Geschichte von Datterode“). Das Amt des Burgvogtes bestand zwar weiter, wurde aber dann 1672 endlich auch aufgehoben; der Burgwald wurde zu gleichen Teilen an die drei Stämme verteilt.

Die verschiedenen boyneburgischen Familien wohnten bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und nochmals im 18. Jahrhundert in Bischhausen, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Hof Laudenbach bei Röhrda und in Reichensachsen und bis in die Gegenwart in Wichmannshausen bzw. nunmehr wieder auf dem Gut Boyneburgk unterhalb der Burg, das seit Jahrhunderten als Hof Datterpfeife nur Pächterfamilien beherbergt hatte, ebenso wie der Hof Harmuthshausen bei Datterode. Die weiter entfernt liegenden Wohnsitze der Familie von Boyneburg sollen hier keine Erwähnung finden, ebenso die ereignisreiche Familiengeschichte. Deren wissenschaftliche Bearbeitung sowie eine ausführliche Darstellung der Burggeschichte wären eine wünschenswerte Aufgabe.

Am 16. Juni 2007 fand anlässlich der 900. Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwähnungder Boyneburg ein Festakt am Schloss der Datterpfeife statt. Im historisch angemessen Ambiente ließ man die Geschichte der Burg und ihrer Bewohner Revue passieren. Gestärkt stieg man dann auf zur Burg, wo die „Dorrenberger“ (vgl. http://www.dorrenberger.de/index.php?id=108) die Festgemeinde und Besucher in das Mittelalter zurück versetzten. Eine wahrlich sehr gelungene und würdige Veranstaltung.

Am 13.11.2011 führte Herr Dr. Thomas Diehl die vielbeachtete Jahreslesung des HVD in Datterode zu seiner Dissertation "Adelsherrschaft im Werraraum. Das Gericht Boyneburg im Prozess der Grundlegung frühmoderner Staatlichkeit (Ende des 16. bis Anfang des 18. Jahrhunderts)". Gebannt folgte das Publikum – darunter selbstverständlich auch HVD-Mitglied Otto von Boyneburgk nebst Gattin – den zusammengetragenen Fakten des Autoren, der aus seinem 482 Seiten umfassenden Werk referierte und anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr viel Neues für die Menschen „rund um die Boyneburg“ darzustellen wusste. Lesen Sie dazu den Verlaufsbericht! Details zum dem äußerst interessanten Buch finden Sie bei Bücher und mehr ... Für alle geschichtlich Interessierten der Region ein Muss!

Weitere Bilder von der Boyneburg können Sie sich unter den Rubriken „Datteröder Postkarten“ und „Bilder von der Boyneburg“ ansehen.

Internetquellen zur Boyneburg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Boyneburg_(Adelsgeschlecht)
http://www.burgenwelt.de/boyneburg/gelie.htm
http://www.werra-meissner.de/Ringgau/freizeit/sehenswuerdigkeiten/Boyneburg.htm
http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=102595
http://www.genealogie-mittelalter.de/northeim_grafen_von/bomeneburg_grafen_von.html
http://regiowiki.hna.de/Boyneburg


1 Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Nr. 1, 08.01.1995 mit Verweis auf Ralf Thaetner: „Zeitreise durch Nordhessen – Ausflüge in die Vergangenheit“, Wartberg Verlag Peter Wieden, Gudensberg

2 In „850 Jahre Datterode“ – Der Festausschuss Datterode, Verlag Friedrich Gajewski, Datterode 1991, m. w. N.

3 Foto aus „Das Erbe der Könige im Umkreis der Boyneburg“ mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Ernst Henn, Sontra-Wichmannshausen, erhältlich in den Buchhandlungen Oertel, Sontra und Braun, Eschwege

4 In „Die Boyneburg am Nord-Westrand des Ringgaus“ von Dr. Heino Flemming, Herleshausen (Werratalverein, Zweigverein Südringgau), Mai 1987

5 In „Die Boyneburg am Nord-Westrand des Ringgaus“ von Dr. Heino Flemming, Herleshausen (Werratalverein, Zweigverein Südringgau), Mai 1987

6 aus „Das Erbe der Könige im Umkreis der Boyneburg“ mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Ernst Henn, Sontra-Wichmannshausen, erhältlich in den Buchhandlungen Oertel, Sontra und Braun, Eschwege

7 Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Nr. 1, 08.01.1995, m. w. N.

8 In „Die Boyneburg am Nord-Westrand des Ringgaus“ von Dr. Heino Flemming, Herleshausen (Werratalverein, Zweigverein Südringgau), Mai 1987

9 In „Die Boyneburg am Nord-Westrand des Ringgaus“ von Dr. Heino Flemming, Herleshausen (Werratalverein, Zweigverein Südringgau), Mai 1987

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